Nachtrag zum
Gedenken an eine tragische Geschichte:
Vor 250 Jahren stürzten Geschwister mit
evangelischem Stadtkirchenturm in den Tod
Der Turmeinsturz wird sich nicht wiederholen weil nämlich
der Kirchturm erst in diesem Jahr umfangreich saniert wurde
Der renovierte Stadtkirchenturm. AIZ-Fotos: Dieter Geissbauer
Aalen. Im Gedenken zu "250 Jahre Turmeinsturz"
gab es dieser Tage ein Gedenken vor der Stadtkirche in Aalen und natürlich
haben die "Turmbläser" 40 Meter hoch oben auf dem sicheren Turm zum Dank
gespielt. Noch mehr ans Herz ging aber die Rede von Stadtpfarrer und
Kreisrat Bernhard Richter, der die Tragik dieses Turmes nicht verschwieg,
sondern nicht nur das Geheimnis des tragischen Todes der beiden Geschwister
lüftete die mit dem Turm in die Tiefe stürzten, sondern der Turm der St. Nikolauskirche
- wie sie damals hieß - "fiel in sich zusammen,
dies hatte einen völligen Neubau der Stadtkirche zur Folge. Daher dürfen wir
in zwei Jahren zugleich 500 Jahre Reformation und 250 Jahre Stadtkirche
feiern".
Für alle die nicht dabei sein konnten bei der Feierstunde vor der
Stadtkirche die Rede und Gedanken exklusiv ungekürzt und ung-eschönt von
Pfarrer Richter - natürlich nur in der AIZ für alle Interessenten der Ostalb
und weltweit:
Pfarrer
riochter
(links) und Dekan Drescher
vor dem Eingang der Stadtkirche und dem frisch renovierten Turm der ewig
halten wird.
Der Einsturz des Turmes ist tief in die Aalener Seele
eingegraben, keine Stadtführung lässt dies Ereignis unerwähnt. Gänzlich
unvorbereitet waren die Aalener damals nicht, denn auch hier gibt es eine
Vorgeschichte:
Der Einsturz des
Turmes ist tief in die Aale-
ner Seele eingegraben: "Ein finsterer Tag"
Es war nach der Schlacht von Nördlingen während des 30jg.
Krieges: Dem verheerenden Aalener Stadtbrand im Jahr 1634, der durch die
Explosion zurück gebliebener schwedischer Pulverwagen ausgelöst worden sein
soll, fiel auch diese mittelalterliche Pfarrkirche St. Nikolaus zum Opfer.
Auf den stehengebliebenen Mauern setzte man einen hölzernen „Aufsatz“, 16
Jahre nach dem Brand konnte die Kirche notdürftig wiederhergestellt werden.
Weite 18 Jahre später – anno 1668 - konnte das obere Geschoß des Turmes
fertiggestellt und mit Kupferblech gedeckt werden.
Dieser Turm genügte jedoch nicht den reichsstädtischen
Ansprü-chen und so entschloss man sich schon 1685, ihn um zwei achteckige
Geschosse zu erhöhen. Er maß nun 160 Fuß, also rund 48 Meter. Dieser Turm ist
auf dem Plakat zu dieser Veranstaltung zu sehen.
Mit der Erhöhung hatte man aber dem alten Turmunterbau
statisch zu viel zugemutet, denn es zeigten sich nach einiger Zeit erste
Risse im Turmmauerwerk. So beschloss der Rat der Stadt schon am 4. September
1764: „Heute Nachmittag bei dem Stadtkirch-enturm, welcher erst dieser Tage
verschiedene Sprünge bekommen hat, einen Augenschein mit Zuziehung des Herrn Bürger-Städtm-eisters Mayer vorzunehmen“.
Da man dabei den Kirchenturm sowohl innen, als auch außen
als sehr schadhaft befand, zog der Rat den herzoglich württember-gischen
Landbaumeister Groß als Sachverständigen hinzu. Auch nach seiner
Untersuchung 1764 gab es im Frühjahr 1765 neue Schäden, der Landbaumeister
Groß wurde wieder herbeigerufen, leider konnte er wegen anderer
Verpflichtungen nicht sofort erscheinen und so nahm das Unglück seinen Lauf.
Der Rat der Stadt wollte eben seine morgendliche Sitzung
am Pfingstdienstag, den 28. Mai 1765 beschließen, als der
Bürger-Städtemeister Bezler gegen 8 ½ Uhr erschien und berichtete, dass an
diesem Morgen eine Menge Steine vom schadhaften Glock-enturm herabgefallen
sei. Hören sie dazu den Bericht von Johann Konrad Kauffmann, er schrieb im Jahre 1765:
„Ein finsterer Tag, ein dunkler Tag, ein wolkiger Tag,
ein nebliger Tag. (Joel Cap II, Vers 11)
Dieser war der 28. Tag des Monats May, zugleich auch der
Pfingsdienstag des 1765sten Jahrs, an dem zum allergrößten Schrecken unserer
Stadt der von 160 Schuh hoch Kirch- und Glockenturm zwar ohne großes Getöse
doch plötzlich unten am Fuß ausweichend allmählich über einen Haufen
gefallen, wobei aber Gottes gnädige Aufsicht über die benachbarte Häuser
allso waltete, dass das obere vor ettwann 80 Jahren neu erbaute 8eckige
Stück, nachdem es sich auf den zusammengefallenen Schutt gesetzt, sich wie
es die Zuschauer behaupten im Ring gedreht und in seiner ganzen Größe über
den Schutt, an einem solchen Ort, nemlich neben die Schule gegen den Bach,
wo es nicht beschädigte, gefallen, so dass die so nahe stehende Schule nur
einigen Schaden, durch das Kupferdach, welches eigige Fenster und wenige
Mauer einschlug, erlitten, so waren hingegen die Herren Präzeptores mit der
gantzen Schuljugend in Todes Ängsten, welche aber durch die liebe Hand
Gottes recht wunderbar erhalten worden.
Bey diesem so großen Unglücks-Fall haben nur zwey
Personen, des Thurmwächters Johannes Kramers beede Kinder, eine Tochter von
25 Jahren und ein Sohn von 13 Jahren ihr junges Leben verloren, dann,
nachdem sie einige mal ermahnet worden, herunterzugehen, und zuletzt wegen
dem Schutt, davon der Thurm inwendig vollag, und nicht mehr weichen konnten,
sahen sich dieselbe dem fürchterlichen Tode ausgesetzt, nachdem sie daselbst
bey diesem fürchterlichen Anblick ihres martenden Todes einander umarmt,
wurden sie alsobald unter den Steinen begraben.
Nach dem Einsturtz fande man
selbige alsobald unter dem Glockenstuhl nahe bey einander liegen, so dass
sie beede zwar lebendig doch mit geraubten Sinnen hervorgezogen wurden, die
Tochter lebte kaum eine Minute mehr, der Sohn verzählte zerschlagen und
zerschmettert in seinem Blut liegend winselnd seine vorhero ausgestandene
Angst und darauf erfolgten bejammerungswürdigen Fall, und folgte seiner
Schwester nach einer Stunde in die frohe Ewigkeit nach, allwo sie kein
Schmerz mehr berühren wird. Ein kleines Kind Joseph Kraus, Schumacher
gehörend, wurde, da es neben der Schule umlief, zwar durch das Kupferdach
zugedeckt und ein Füßlein abgeschlagen, aber in einigen Wochen wiederum
vollkommen restituiert.
Gleiches traurige Schicksal, wie Obbemeldten beeden
Kin-dern, hätte auch einen wohllöblichen Magistrat dieser Stadtbegegnen
können, wann Gottes große Barmherzigkeit denselben nicht eine Viertelstunde
in der Rathsstuben aufgehalten hätte, dann nachdem gedacht wohllöblicher
Magistrat von dem in dem Thurm zusammengefallenen Schutt Nachricht gegeben
wurde, waren die Herren im Begriff, solches zu besehen, und stunde ihr Leben
zwischen dem Tod und einer Viertelstunde, daß sie nun durch die gnädige
Fügung Gottes so lang sich verweilet, so haben sie solches niemand anders
als eben der Güte dieses Gottes zu danken.“
Infos:
http://www.aaleninfo.de/apr14/05/kirchturm.htm
http://www.aaleninfo.de/mai13/12/turm.htm
http://www.aaleninfo.de/dez13/27/knauf.htm
Freude als es mit der
Stadtkirchenturm-Renovierung 2014
begann. |