Eine ganze Gemeinde Hüttlingen spart lieber Strom:
Dr. Stigler von TU in
Graz:
"Kein zwingender
elektrizitätswirtschaftlicher Bedarf gegeben"
Gutachten 380 kV-Leitung Bünzwangen-Goldshöfe liegt
jetzt in voller Länge vor: Landratsamt als Auftraggeber
Die Hüttlinger stehen zusammen, wenn es darum geht die 380-KV-Leitung zu
verhindern und haben damit schon Erfolg: Das Landratsamt widerlegte mit
einem Gutachten dass keine Stromengpässe entstehen wenn die 380-kv-Leitung
bei Goldshöfe nicht gebaut wird. Der stille Protest der Hüttlinger (unser
Foto) bleibt weiter bestehen bis das Thema endgültig ganz vom Tisch ist.
AIZ-Fotos: Dieter Geissbauer
Hüttlingen/Aalen. Im Mai 2014
hatte das Landratsamt Ostalbkreis stellvertretend für die Interkommunale
Interessensgemeinschaft, die sich aus dem Ostalbkreis, den Kreisen Göppingen
und Rems-Murr-Kreis sowie den betroffenen Städten und Gemeinden gebildet
hat, ein Kompaktgutachten zur Überprüfung der energiewirtschaftlichen und
netztechnischen Notwendigkeit der Leitung in Auftrag gegeben. Wie Landrat
Klaus Pavel in der Kreistagssitzung am vergangenen Dienstag mitteilte, liegt
das Gutachten nun vor. Als Gutachter fungierte Professor Dr. Stigler, der
das Institut für Elektrizitäts-wirtschaft und Energieinnovation an der TU
Graz leitet. Es handelt sich um ein unabhängiges und renommiertes Institut,
das von der Bundesnetzagentur anerkannt wird. Hintergrund für die
Beauftragung war, dass der Entwurf des "Netzentwicklungsplans Strom 2014"
den Neubau der 380 kV-Leitung Bünzwangen-Goldshöfe erneut als erforderliche
Maßnahme vorsieht.
In seinem Gutachten, das auch Extremfallrechnungen und Auswirk-ungen auf den
internationalen Stromhandel umfasst, kommt Professor Dr. Stigler zu dem
Schluss, dass entsprechend der dur-chgeführten Berechnungen kein zwingender
elektrizitätswirtsch-aftlicher Bedarf für die Errichtung der 380 kV-Leitung
von Bünzwangen nach Goldshöfe vorliegt. Bei seinen Berechnungen hat Stigler
das sogenannte "Startnetz" herangezogen. Dieses beinhaltet den Netzbestand
und die EnLAG-Leitungen. Zudem wurden die im Bundesbedarfsplangesetz 2013
bestätigten Netzausbaumaß-nahmen einschließlich der HGÜ-Leitungen
berücksichtigt. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien wurde dem
Gesetzentwurf der Bundesregierung für das Erneuerbare-Energien-Gesetzes
gefolgt. Darüber hinaus wurden die tendenziellen Entwicklungen des aktuellen
Entwurfs des Szenariorahmens zum Netzentwicklungs-plan 2015 berücksichtigt.
Der untersuchte Zeitrahmen umfasst die Jahre 2012 bis 2032.
Zur Bestimmung der Erforderlichkeit der Leitung wurde in Anlehnung an das
Erforderlichkeitskriterium der Bundesnetzagentur vorgegan-gen. Dieses sieht
vor, dass die maximale Auslastung im störungsfreien Betrieb über 8.760
Stunden eines betrachteten Jahres mindestens 20 Prozent betragen muss. Daher
wurde die Auslastung der 380 kV-Leitung Bünzwangen-Goldshöfe analysiert und
dem 20 Prozent-Kriterium gegenübergestellt. Bei Zugrunde-legung
durchschnittlicher Einspeiseverhältnisse erneuerbarer Energien betrug die
maximale Auslastung 17 Prozent bezogen auf das angenommene thermische Limit.
Die mittlere Auslastung lag in der Simulation bei ca. 6 Prozent.
Sowohl bei seinen Szenariorechnungen, die auf der Annahme durchschnittlicher
Einspeisung erneuerbarer Energien beruhen, als auch bei seinen
Extremfallrechnungen, die die Auswirkungen von Starklast, hoher
Winderzeugung und hoher Photovoltaikerzeugung auf den 50 km- und den 100
km-Nahbereich der 380 kV-Leitung Bünzwangen-Goldshöfe untersuchen, kommt
Stigler zu dem Ergebnis, dass sich keine unmittelbaren Wirkungen durch die
380 kV-Leitung Bünzwangen-Goldshöfe zeigen; weder hinsichtlich Redispatch1,
Integration erneuerbarer Energien noch Leit-ungsentlastung des umliegenden
Netzes. Lediglich bei hohen Durchdringungsraten von Photovoltaik im 100
km-Nahbereich der Leitung und hohen Einspeisungen aus erneuerbaren Energien
in ganz Deutschland zeigen sich im Jahr 2032 nennenswerte Unterschiede in
der Integration erneuerbarer Energien durch die 380 kV-Leitung
Bünzwangen-Goldshöfe.
Landrat Klaus Pavel sieht sich in dem Ergebnis des Gutachtens bestätigt und
fordert vom Bund und der Bundesnetzagentur, die Leitung aus dem EnLAG zu
streichen. Auch geht er davon aus, dass TransnetBW das Ergebnis des
Gutachtens bei den weiteren Planungen berücksichtigt. Allen Mitgliedern der
Interkommunalen Interessensgemeinschaft, allen Abgeordneten des
Ostalbkreises, dem Bundeswirtschaftsministerium, der Bundesnetzagentur,
TansnetBW und dem baden-württembergischen Minister für Umwelt, Klima und
Energiewirtschaft Franz Untersteller geht das Gutachten zu. Nach der
Sommerpause plant Pavel eine öffentliche Veranstaltung mit dem Gutachter und
den Abgeordneten.
1 Der Begriff Dispatch bezeichnet die Einsatzplanung von Kraftwerken durch
den Kraftwerksbetreiber. Der deutsche Begriff für Dispatch lautet
entsprechend "Kraftwerkseinsatzplanung". Der Begriff Redispatch bezeichnet
die kurzfristige Änderung des Kraftwerkseinsatzes auf Geheiß der
Übertragungsnetzbetreiber zur Vermeidung von Netzengpässen. Quelle:
http://www.next-kraftwerke.de
Zusammenfassung
des Gutachtens von Prof. Dr. Stigler, TU Graz, zur 380-kV-Leitung
Bünzwangen-Goldshöfe aus Sicht des Ostalbkreis:
Wesentliche Grundlagen des Gutachtens :Prof.
Dr. Stigler hat in seinem Gutachten einerseits die bundesweiten
elektrizitätswirschaftlichen Auswirkungen mit/ohne 380-kV-Leitung
Bünzwangen-Goldshöfe (Auslastung der Leitung, Auswirkungen auf die anderen
Leitungen, bundesweiter Redispat-chbedarf1
usw.) berechnet, andererseits Extremfallrechnungen im Umfeld dieser Leitung
mit/ohne die Leitung Bünzwangen-Goldshöfe vorgenommen. Zudem wurden die
Auswirkungen für einen möglicherweise verstärkten internationalen
Stromaustausch bere-chnet.
1 Da ein Redispatch zu höheren
Gesamterzeugungskosten führt, soll dies vermieden werden.
2 Maßnahmen im 220/380-kV-Netz in
der Reihenfolge Netzoptimierung vor Netzverstärkung vor Netzausbau.
Die Ausgangsdaten für das
Gutachten wurden möglichst aktuell und realitätsnah gewählt. Die Datenbasis
für den Kraftwerkspark in Deutschland im Situationsmodell ATLANTIS basiert
im Wesentlichen auf dem konsultierten Szenariorahmen zum
Netzentwicklungsplan 2012, welcher auch die Grundlage für das
Bundesbedarfsplangesetz 2013 darstellt. Das Gesamtsystem bestehend aus
Kraftwerkspark, Höchstspannungsnetz und Verbrauch im Simulationsgebiet
Kontinentaleuropa wird in einer Zeitreihe entwickelt , die den Zeitraum 2012
bis 2032 umfasst. Der Entwurf zum Szenariorahmen Netzentwicklungsplan 2015
ist in die Berechnungen mit aufgenommen. Die dem Gutachten zu Grunde
liegende zeitliche Entwicklung des Kraftwerksparks in Deutschland entspricht
hinsichtlich Windkraft und Photovoltaik den Ausbaukorridoren laut
EEG-Reform.
Das in ATLANTIS abgebildete
Stromnetz umfasst die Netzebenen 220kV und 380kV. Neben dem bestehenden Netz
sind auch die Netzprojekte aus den EnLAG 2009 berücksichtigt und bilden mit
dem Bestandsnetz das sog. Startnetz. Des Weiteren sind die im
Bundesbedarfsplangesetz 2013 festgestellten 36 Ausbauvorhaben abgebildet.
Zur Bestimmung der
Erforderlichkeit der Leitung wird in Anlehnung an das
Erforderlichkeitskriterium der Bundesnetzagentur vorgegangen. Die
Erforderlichkeit einer Leitung wird von der Bundesnetzagentur damit
argumentiert, dass die maximale Auslastung im störungsfreien Betrieb über
8760 Stunden eines betrachteten Jahres mindestens 20% betragen muss. Daher
wird die Auslastung der EnLAG-Leitung Nr. 24 (380-kV-Leitung
Bünzwangen-Goldshöfe) analysiert und dem 20%-Kriterium gegenübergestellt.
Die auftretenden Effekte durch neue Verbundleitungen wie z. B. die
EnLAG-Leitung Nr. 24 können nur durch umfassende Simulationen des Systembetr
iebs abgeschätzt werden. Hierfür werden unter sonst gleichen Bedingungen
Simulationen mit und ohne die EnLAG-Leitung Nr. 24 durchgeführt. Zusätzlich
werden auch Simulationen mit und ohne AC-NOVA-Maßnahmen2
gemäß Bundesbedarfsplangesetz 2013 durchgeführt. Diese Szenariorahmen
beinhalten jeweils den Simulationszeitraum 2012 bis 2032 und beruhen auf der
Annahme durchschnittlicher Einspeisung der erneuerbaren Energien.
Aufbauend auf diesen Szenariorechnungen
werden im Anschluss Extremfallrechnungen durchgeführt, in denen
netzrelevanten Einspeise- und Lastsituationen im kontinentaleuropäischen
Verb-undsystem simuliert werden. Als Nahbereich der EnLAG Leitung Nr. 24
werden ein 50 km Radius sowie ein 100 km Radius gewählt und die Netzknoten
mit dazugehörigen Kraftwerken und Verbrauch innerhalb dieser Zonen für die
Auswertung ausgewählt.
Da die Bundesnetzagentur der Auswirkung neuer Netzelemente auf den
grenzüberschreitenden Stromhandel im Abwägungsprozess für die Notwendigkeit
einer betrachteten Maßnahme hohe Bedeutung zumisst, nimmt das Gutachten auch
eine Abschätzung über die Wirkung der EnLAG-Leitung Nr. 24 bei deutlicher
Erhöhung der grenzüberschreitenden Handelskapazitäten nach Frankreich und in
Richtung Schweiz vor.
Szenariorechnungen:
Zusammenfassend kann aus den
Szenario-rechnungen basierend auf der Annahme durchschnittlicher
EE-Erzeugung keine quantifizierbar höhere und keine quantifizierbar
geringere EE-Einspeisung durch die EnLAG-Leitung Nr. 24 nachgewiesen werden.
Auch zeigt sich kein nennenswerter Unterschied im Kraftwerkseinsatz bzw. im
Redispatchumfang im Zeitraum bis 2032, sodass durch die EnLAG-Leitung Nr. 24
auch keine maßgeblichen Veränderungen der CO₂-Emissionen
aus dem Kraftwerksbetrieb zu erwarten sind. Die Auslastungsgrade der
EnLAG-Leitung Nr. 24 erreichen bei den zu Grunde gelegten durchschnittlichen
Einspeiseverhältnissen erneuerbarer Energien
maximal 17% bezogen auf das
angenommene thermische Limit. Die
mittlere Auslastung liegt in der Simulation bei ca.
6 %. Die Berechnungen wurden
unter der Randbedingung durchgeführt, dass keine andere Leitung im
Höchstspannungsnetz überlastet werden darf, also keine Überschreitung der
70% Grenze der thermischen Grenzleistung auftritt.
Extremfallrechnungen:
Die Extremfallrechnungen wurden analog zu
den Szenariorechnungen mit und ohne die EnLAG-Leitung Nr. 24 durchgeführt
und hinsichtlich Redispatch, EE-Integration und Netzauslastung untersucht.
Je höher die PV-Einspeisung ist, desto höher ist tendenziell die Auslastung
der EnLAG-Leitung Nr. 24. Eine 20%-Grenze wird bei durchschnittlichen
Einspeiseverhältnissen erneuerbarer Energien allerdings nicht erreicht. Für
die Extremfallrechnungen wird eine besonders hohe Erzeugung aus Solarenergie
angenommen. Zudem wird zum hohen Verbrauch und zur hohen Einspeisung aus
Photovoltaik auch eine hohe Erzeugung aus Windkraft angenommen. Zusätzlich
zu dem deutschlandweiten Extremfall (Starklast, hohe Winderzeugung und hohe
PV-Erzeugung) wird im Nahbereich der EnLAG-Leitung Nr. 24 die PV-Einspeisung
in den Stufen 50 % (nur im 50km-Radius), 100%, 150% und 200% (im 50km- und
100km-Nahbereich) der im Szenario vorgesehenen installierten Leistung
variiert.
Ergebnisse der Extremfallrechnungen für den 50-km-Nahbereich:"Voltaik u.
Windkraft"
Insgesamt ist festzustellen, dass sich auch
bei hohen Durchdring-ungsraten von abnahmepflichtigen erneuerbaren Energien
(Photo-voltaik und Windkraft) im unmittelbaren Nahbereich (50 km) der
EnLAG-Leitung Nr. 24 keine unmittelbaren Wirkungen durch die EnLAG-Leitung
Nr. 24 zeigen; weder hinsichtlich Redispatch, EE-Integration noch
Leitungsentlastung des umliegenden Netzes. Es kann eine hohe Korrelation
zwischen der PV-Einspeisung und der Leitungsauslastung beobachtet werden.
b) Ergebnisse der
Extremfallrechnungen für die 100km-Zone :
Auch hier ist das Ergebnis, dass auch bei hohen Durchdringungsraten von
abnahmepflichtigen erneuerbaren Energien (Photovoltaik und Windkraft) im
weitergefassten Nahbereich der EnLAG-Leitung Nr. 24 (100km) keine
unmittelbare Wirkung der EnLAG-Leitung Nr. 24 nachgewiesen werden kann;
weder hinsichtlich Redispatch, EE-Integration noch Leitungsentlastung des
umliegenden Netzes. Es kann eine hohe Korrelation zwischen der
PV-Einspeisung und der Leitungsauslastung beobachtet werden. So zeigen sich
nur bei hohen Durchdringungsraten von Photovoltaik im 100km-Nahbereich der
Leitung und hohen Einspeisungen aus erneuerbaren Energien in ganz
Deutschland im Jahr 2032 nennenswerte Unterschiede in der Integration der
erneuerbaren Energien durch die EnLAG-Leitung Nr. 24.
Wirkung der EnLAG-Leitung
Nr. 24 für den grenzüberschreit-enden Stromhandel:
Bei den vorgenommenen Extremfallunt-ersuchungen (NTC-Sensitivitätenanalyse
2025: 200% PV-Einspeisung im 50km-Nahbereich und NTC-Sensitivitätenanalyse
2032: 200% PV-Einspeisung im 100km-Nahbereich) erhöht sich durch die
EnLAG-Leitung Nr. 24 der physikalische Stromfluss von Deutschland in
Richtung Nachbarländer und es kommt zu einer geringfügigen Verlagerung der
grenzüberschreitenden Lastflüsse Deutschland-Österreich zur Grenze
Deutschland-Schweiz.
Fazit:
Die Errichtung einer Leitung steht im Spannungsfeld von
elektrizitätswirtschaftlicher Notwendigkeit und den Interessen des Natur-
und Umweltschutzes. Die Abwägung zwischen diesen widerstreitenden Interessen
obliegt der zuständigen Behörde. Auf Basis der dargelegten Rahmenbedingungen
und Annahmen
-
Aktuelle Revision der Erneuerbaren Energien Gesetzes
-
Berücksichtigung des Startnetzes (mit/ohne die untersuchte Leitung)
-
Einbezug der genehmigten HGÜ-Anlagen
-
Aufnahme des genehmigten 380-kV-Netzausbaus
Daraus ergibt sich entsprechend der
durchgeführten Berechnungen kein
zwingender elektrizitätswirtschaftlicher Bedarf an der Errichtung
der 380-kV-Leitung von Bünzwangen nach Goldshöfe (EnLAG-Leitung Nr. 24). |