Fachtagung zu „Stadtentwicklung – wie smart wird die City?“:
OB: "Aber wie sieht eine so nachhaltige und
clevere Stadtentwicklung für morgen aus"?
Mit der Gründung des Beirates „Smart City Aalen“ verfolgt nun
auch die Stadt Aalen diesen Ansatz der geballten Kompetenz

Professor Sobek bei der Fachtagung.   AIZ-Fotos: Stadt Aalen.       
Aalen.
In Kooperation mit der Hochschule Aalen veranstaltete die Stadt Aalen am 23.Oktober 2017 erstmalig eine Fachtagung zum Thema „Stadtentwicklung – wie smart wird die City?“. Mit weit mehr als 100 Teilnehmern war das Interesse an dieser Veranstaltung enorm hoch. Die Fachtagung ist ein wichtiger Baustein der strategischen Ausrichtung der Stadt Aalen als „smarte“, vernetzte und lebenswerte Stadt der Zukunft. „Die Entwicklung intelligenter Lösungen für städtische Aufgaben entscheidet darüber, wie smart und wie lebenswert unsere Städte in der Zukunft sein werden. Schnelles Internet, intelligente Mobilitäts- und Infrastrukturkonzepte, Energieeffizienz oder die Kommunikation zwischen Stadtverwaltung und Bürgerschaft sind nur einige Beispiele zur „smarten“ Stadtentwicklung, für die wir intelligente und nachhaltige Lösungen brauchen“, so Oberbürgermeister Thilo Rentschler während der Eröffnung der Fachtagung an der Hochschule.

Geballte Kompetenz: Teilnehmer der Fachtagung in der Hochschule.
Aber wie sieht eine nachhaltige und clevere Stadtentwicklung für morgen aus? Welche globalen Megatrends beeinflussen das Leben und die Entwicklungen in einer Stadt? Wie werden Häuser in ein paar Jahren gebaut? Welche vernetzten Funktionen können oder müssen Häuser zukünftig bieten? Wie bewegen wir uns in naher und ferner Zukunft fort? Welche Rolle spielt die E-Mobilität dabei? Welche Ladeinfrastruktur für E-Fahrzeuge wäre für Bürgerinnen und Bürger wünschenswert? Wie kann der Verkehr in einer Stadt dynamisch und flexibel gesteuert werden? Wie können die digitale Infrastruktur, das Internet der Dinge und die reale Infrastruktur vor Ort für den Transport von Waren und Gütern zum Kunden genutzt werden? Zur Beantwortung dieser Fragen hatte die Stadt Aalen zusammen mit der Hochschule Aalen Interessierte aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik, Bürgerinnen und Bürger eingeladen. Jeder der hochkarätigen Referenten gewährte den Teilnehmern der Fachtagung einen Blick „durch seine Brille“ auf das Thema „smarte“ Stadtentwicklung im Kontext von Digitalisierung, neuen Technologien und globalen Megatrends.

Prof. Dr. Werner Sobek hielt das Hauptreferat mit seinem Vortrag „Die elektrische Stadt“ und stimmte die Teilnehmer der Fachtagung ein auf das Thema „wie sieht die Stadt von morgen aus?“. Vor dem Hintergrund des weltweiten Bevölkerungswachstums und der Verknappung der natürlichen Ressourcen machte er deutlich, dass zukünftig für immer mehr Menschen mit immer weniger Material gebaut werden müsse.

Die Herstellung von Beton ist derzeit für 7% des weltweiten CO2-Ausstosses verantwortlich, weshalb Prof. Sobek am Institut für Leichtbau Entwerfen und Konstruieren (ILEK) an der Universität Stuttgart nach alternativen Baumaterialen forscht, um beim Häuserbau die CO2-Emissionen zu reduzieren und damit einen Beitrag zum Klimaschutz und zu mehr Energieeffizienz zu leisten. Sobeks Haus ist nach eigenen Angaben beispielsweise zu 100% recycelbar und erzeugt 160% der im Haus benötigten Energie selbst aus nachhaltigen Quellen. D.h. das Haus ist energieautark und erzeugt selbst mehr Energie als es verbraucht. Die überschüssige Energie kann beispielweise für das Laden des eigenen E-Autos genutzt oder in das örtliche Stromnetz eingespeist werden.

Mit der eingespeisten Energie könnten dann wiederum andere Häu-ser versorgt werden, die ihren Energiebedarf nicht selbst decken können. In Zukunft kommunizieren also Häuser, E-Autos und Stromnetze miteinander und prüfen über intelligente Systeme Energie-Angebot und –Bedarf.

Ein weiteres Forschungsfeld für mehr Energieeffizienz im Bereich Ar-chitektur bietet sich in der Überwindung der konstanten Baueig-enschaften von Häusern. Als Beispiele hierfür nannte Sobek Häuser mit wechselnder Farbe der Außenwände: weiß im Sommer für eine reduzierte Aufnahme von Sonnenwärme und schwarz im Winter für eine verstärkte Aufnahme oder Häuser mit „atmenden Außenwä-nden“, die über intelligent vernetzte Systeme den Lüftungsbedarf selbständig ermitteln und eigenständig nach Bedarf lüften.

Aus einem ganz anderen Blickwinkel betrachteten Susanne Schatz-inger vom Fraunhofer Institut Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) und Dr. Stephan Anders von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB e.V.) im zweiten Vortrag das Thema Stadtentwicklung. Sie gaben einen Einblick in die Bedeutung von smarten und nachhaltigen Städten für Baden-Württemberg und welche Herangehensweisen für Städte gebraucht werden, um sie zukunftsfähig und nachhaltig gestalten zu können. Eine wesentliche Voraussetzung dafür ist, dass alle wichtigen Schlüsselakteure, die zur Entwicklung einer Stadt beitragen, miteinander in Kontakt stehen, gemeinsam Projekte initiieren und sich regelmäßig dazu austauschen.

Mit der Gründung des Beirats „Smart City Aalen“ verfolgt auch die Stadt Aalen diesen Ansatz. Er bündelt Know How und Kompetenz von hochrangigen, lokalen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Bürgerschaft. Der neu gegründete Beirat bildet einen wichtigen Baustein in der strategischen Ausrichtung Aalens als vernetzte Stadt der Zukunft.

Auch der Beitritt der Stadt Aalen zum Projekt „Future Cities BW“, unter der federführenden Leitung von Susanne Schatzinger und Dr. Stephan Anders, ist ein Beitrag auf dem Weg zur „Smart City Aalen“. Die Stadt Aalen ist die erste Kommune in Baden-Württemberg, die dieser Initiative des Ministeriums für Wirtschaft, Arbeit und Wohnungsbau und weiteren Einrichtungen des Landes Baden-Württemberg beigetreten ist, mit dem Ziel, sich mit anderen Akteuren in Baden-Württemberg zu den Themen nachhaltiges Bauen und Stadtentwicklung zu vernetzen.

„E-Mobilität wird sich – auch im ländlichen Raum –dann erfolgreich durchsetzen, wenn der Kunde mitmacht. Und er macht mit, wenn es sich wirtschaftlich für ihn lohnt, der Strom zum Laden aus erneuerbaren Energien stammt und damit das Konzept ökologisch stimmig ist und Lademöglichkeiten nicht nur Zuhause sondern flächendeckend ausreichend zugänglich sind“, so fasste Prof. Dr. Anna Nagl, Professorin an der Hochschule Aalen und Leiterin des Kompetenzzentrums für innovative Geschäftsmodelle, die wichtig-sten Erkenntnisse aus einer repräsentativen Umfrage unter Aalener Bürgerinnen und Bürgern zusammen. Mehr als die Hälfte der Aalener fahren mit ihrem Auto an Werktagen eine Strecke von bis zu 25 km. Diese Fahrleistung kann heute schon von E-Autos abgedeckt werden. Die meisten Aalener sind für E-Mobilität aufgeschossen und würden ihr E-Auto gern zu Hause oder alternativ am Arbeitsort aufladen.

E-Mobilität ist jedoch nur dann energieeffizient, CO2-einsparend und damit ökologisch nachhaltig, wenn der zum (Auf-)Laden des Autos benötigte Strom selbsterzeugt aus erneuerbaren Energien wie bspw. Photovoltaik (PV)-Anlagen stammt. So kann jeder Fahrer eines E-Autos einen Beitrag zum Klimaschutz leisten. Für PV-Anlagen gibt es laut Nagl in Aalen jedoch noch ausreichend Potenzial, denn 85% haben bislang keine PV-Anlage am Haus. Alternativ zu PV-Strom kann, den Bogen zu Sobeks Vortrag schlagend, bei Neubauten auch die selbsterzeugte, überschüssige Energie eines Hauses genutzt werden, um E-Autos oder E-Fahrräder aufzuladen. Einen Blick in die Zukunft gibt Nagl abschließend mit einem realistischen Fallbeispiel in dem anhand einer App in nicht allzu ferner Zukunft Akku-Ladezustand, Inspektions- und Wartungstermine, Stau- und Verkehrsinformationen, Parkplätze mit Ladestation und vieles mehr für die tägliche Fahrstrecken geprüft oder auch direkt gebucht werden kann.

Im letzten Vortrag der Fachtagung ging es bei Matthias Müller von der Cellent GmbH um das Thema „City Logistik für die Industrie 4.0“. Aus Sicht der Wirtschaft machte er deutlich, dass hervorragende digitale Infrastrukturen, schnelles Internet  und das Internet der Dinge wichtige Grundlagen für die Industrie 4.0 sind. Jedoch ist die reale Straßen-Infrastruktur zu Beförderung von Waren und Produkten zum Kunden genauso wichtig. Die Verknüpfung von beiden umfasst die City Logistik von morgen. Die Reduzierung von Stauzeiten im städtischen Verkehr ist dabei für die Wirtschaft gleichermaßen wie für Bürgerinnen und Bürger von hohem Interesse. Durch Staus steigt der CO2-Ausstoß, es ist unproduktive Zeit und gefährdet die Just-in-Time Produktion in Unternehmen.

Die Frage ist deshalb, wie kann das Problem „Stau“ in Städten gel-öst werden. Sensoren im Boden die Fahrzeuge zählen, Kame-raüberwachungen an stark befahrenen Kreuzungen, GPS-Daten von Handys sind nur einige Beispiele dafür, wie mit Hilfe verschiedener Systeme Stauschwerpunkte erkannt werden können. Diese Daten fließen dann in die Simulation von Verkehrsströmen mit ein, um für alle Beteiligten Verkehrsrouten besser planen, Ampelschaltungen dynamisch gestalten, den Verkehr insgesamt besser lenken und schlussendlich Stauzeiten reduzieren zu können.

Abschließend konnten die Teilnehmer der Fachtagung den Referenten Fragen stellen oder beim Ausklang der Veranstaltung sich mit anderen Teilnehmern zu den Perspektiven auf die Stadt von morgen austauschen.