Schwerkranke und unheilbare Kinder geraten ins Abseits:
Europäische Aktionstag zur Gleichstellung
von Menschen mit Behinderung: Hilfe naht
Auch künstliche Trennung, Finanzierung der Grundpflege, Behandlungspflege und der Palliativversorgung ein Hindernis

Hilfe naht: MdB Roderich Kiesewetter (links) im Gespräch mit Zobel.

Aalen.
Am vergangenen Freitag traf sich der Aalener MdB Roderich Kiesewetter mit Markus Zobel, der zum einen als Geschäftsführer für die Malteser Dienste für Kinder handelt, zum anderen als Vorstand des Bundesverbandes Häuslicher Kinderkrankenpflege (BHK e. V.) die Interessen verschiedener Pflegedienste vertritt. Der Termin war mit Bedacht gewählt, denn der 5. Mai ist der Europäische Aktionstag zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderung. Anlass waren die Schwierigkeiten, mit denen die ambulanten Kinderkrankenpflegedienste bei der Versorgung schwerstkranker Kinder im häuslichen Umfeld zu kämpfen haben.

Das größte Problem, so erläuterte Zobel gleich zu Beginn, sei kein politisches, sondern ein gesellschaftliches. Die Kinder, die sein Haus und andere Pflegedienste, betreuen, seien oftmals so krank, dass sie in der Öffentlichkeit nicht auftauchen. Daher würden sie auch nicht wahrgenommen, existierten schlichtweg nicht und hätten keinerlei Lobby. Diese gesellschaftliche „Nicht-Sichtbarkeit“ spieg-ele sich dann in der Gesetzgebung, in Vorschriften und Leistungskatalogen. Zudem betrifft der allgemeine Fachkräftemangel nicht nur die Alten- und Krankenpflege, sondern auch die Versor-gung schwer kranker und unheilbar kranker Kinder mit verkürzter Lebenserwartung in ganz Deutschland.

Im Gegensatz zur Altenpflege leiden Kinder vielfach an anderen, sehr seltenen, schwersten Erkrankungen, die weitgehend unbekannt sind. Dies reicht von komplexen Herzfehlern bis hin zur Beatmung in der Häuslichkeit. Diese Kinder und ihre Familien müssen von entsprechend geschulten Teams aus Klinik, Ärzten, Therapeuten und Pflegefachkräften unterschiedlichster Fachrichtung umfassend betreut werden, was einen hohen Abstimmungsaufwand mit sich bringt. Diese Besonderheiten der außerklinischen Kinderkranken-pflege verlangen eine hohe und spezifische Qualität in der pflege-rischen Betreuung.

Um diese Qualität zu gewährleisten, ist der Fort- und Weiterbild-ungsaufwand sehr hoch. Da in der Kinderkrankenpflege – wie meist in Pflegeberufen – fast ausschließlich Frauen in Teilzeit beschäftigt sind, führen die Fortbildungen zu hohen Ausfallzeiten. Egal, ob eine Mitarbeiterin 10 oder 40 Stunden wöchentlich arbeitet, Anzahl und Umfang der Schulungen bleiben gleich.

Auch die künstliche Trennung und damit Finanzierung von Grundpfl-ege, Behandlungspflege und spezialisierter Palliativversorgung ist im Alltag ein dauerndes Hindernis. Überhaupt sei die Vergütung und Genehmigungspraxis ständiger Anlass für Konflikte mit den Kostenträgern, erklärte Zobel. So erfüllend dieser Beruf auch sei, da er eine intensive Einbindung in die familiären Strukturen des Patienten erlaube und die Pflegenden auch viel Wertschätzung erführen, eine anständige Bezahlung nach Tarif müsse trotzdem dar-stellbar sein.

MdB Kiesewetter, der schon mit fundierten Informationen gekomm-en war und mit konkreten Fragen zu den Auswirkungen des Pflegeberufereformgesetzes aufwartete, erwies sich als sehr empa-hischer Gesprächspartner auf Augenhöhe. Vor allem die Schilderungen der bürokratischen Hürden, mit denen sich Familie und Pflegekräfte fast täglich konfrontiert sehen – und dass im Angesicht schwerst leidender Kinder –, berührten den Oberst a.D. Um sich ein noch konkreteres Bild vom Alltag und den Lebens-umständen der kleinen Patienten machen zu können, vereinbarte man einen gemeinsamen Patientenbesuch.

Schließlich verabschiedete Zobel Kiesewetter mit einem ganzen Katalog konkreter Vorschläge, welche die die Situation verbessern können. Hierzu soll ein Folgetermin im Bundesgesundheits-ministerium in die Wege geleitet werden, der möglichst noch vor der Sommerpause stattfinden soll.