Förster Pfeifle hat „Handbuch für Harzer" für 19.6. gewälzt
Tropfendes Harz und Meiler auf Ostalb: Prod-
uktionskosten sechs Mal höher als Marktwert
Waldgäste wundern sich: Handelt es sich bei Ritzereien in Rin-
de um rituelle Symbole, Vandalismus oder einfach um Kunst?

Tropfendes Harz und rauchende Meiler im wald bei Dankotsweiler.   
Ellwangen/Dankoltsweiler. Bei den Waldtagen 2010 des Landratsamts Ostalbkreis am 19. und 20. Juni wird alten, fast vergessenen Waldberufen wieder Leben eingehaucht: Spazier-gängern, die in den letzten Tagen im Wald bei Dankoltsweiler / Keuerstadt unterwegs waren, werden an einigen Bäumen seltsame Veränderung aufgefallen sein. Handelt es sich bei den Ritzereien in der Rinde um rituelle Symbole, Vandalismus oder vielleicht einfach Kunst?

Des Rätsels Lösung heißt „Harzen". Das Harzen wurde früher im Wald praktiziert, um Harz als Ausgangsprodukt für viele Dinge des täglichen Lebens zu gewinnen. Für viele Arzneimittel, Ölfarben, zum Abdichten von Fässern und Schiffen, als Wagenschmiere oder beim Gerben von Leder wurde Harz benötigt.

Das Forstamt Ellwangen hatte nach der Wende bei einer Exkursion ins sächsische Forstamt Moritzburg als Gastgeschenk einen kompletten Satz Harzer-Werkzeug bekommen. In der DDR wurde bis 1990 noch Harz gewonnen. Als mit dem Fall der Mauer Harz zu Weltmarktpreisen gehandelt werden musste, war es mit der Harzgewinnung schnell vorbei. Die Produktionskosten waren sechs Mal höher als der Marktwert.

Förster Pfeifle hat das „Handbuch für den Harzer" gewälzt - ebenfalls Teil des Gastgeschenkes aus Sachsen - und hat sich die alten Techniken angeeignet. „Auch im Virngrund wurde geharzt", erklärt Tilmann Pfeifle, Förster im Revier Neuler. „In meinem Revier gibt es noch einige Kiefern, mit Lachten - so nennt man die Stellen an den Bäumen, aus denen das Harz austrat." Bei den Waldtagen wird er den Besuchern alles über das Harzen erzählen. Unter anderem auch einige interessante Anekdoten aus dem Ellwanger Wald.

Heute hat der Begriff „harzen" ein andere Bedeutung. Als Jugendwort des Jahres 2009 gewählt, versteht man darunter „arbeitslos sein" oder „rumhängen" (abgeleitet von der umgangssprachlichen Bezeichnung „Harz IV" für das Arbeitslosengeld II). Ein Schicksal das einem traditionellen Harzer heute auch gewiss wäre…

Doch der „Harzer" ist nicht der einzige alte Waldberuf, den man bei den Waldtagen hautnah erleben kann. Schindelmacher, Bes-enbinder, Seegrasspinner und Korbflechter zeigen, wie man früher die Gegenstände des täglichen Gebrauchs aus den Materialien gefertigt hat, die der Wald zu bieten hat. Schon von weitem ist der Rauch des Kohlenmeilers zu riechen, der eigens für die Waldtage errichtet und angefeuert wird. Einige inzwischen pensionierte Waldarbeiter des Forstamts Ellwangen haben noch gelernt, wie man einen Baum mit der Handsäge fällt. Sie führen diese schweißtreibende und fast vergessene Technik ebenfalls vor. Passend dazu werden die Bäume - mit einem PS - von Rückepferden aus dem Wald gezogen.

Noch weiter zurück liegt die Zeit der Holzwerkzeuge, die Kinder im alamannischen Lager oder in der Steinzeitwerkstatt herstellen können. Führungen und historische Karten vermitteln außerdem Einblicke in die bewegte Geschichte des Ortes Keuerstadts. Nähere Informationen zu den Waldtagen gibt es im Internet unter der Adresse www.ostalbkreis.de