AOK Ostwürttemberg und Gewerkschaften im echten "Dialog"
Mit 4.0 übernimmt auch der vernetzte Comp-
uter auf der Ostalb "eigene Entscheidungen"

AOK-Boß Josef Bühler warnt:  „In zehn Jahren die Fälle dia-
gnostizierter psychischer Erkrankungen um 70 % gestiegen"


Aalen/Gmünd/Heidenheim.. Die AOK Ostwürttemberg diskutierte mit Personal- und Betriebsräten über die zukünftige digitalisierte Arbeitswelt und deren Auswirkung auf die Gesundheit der Arb-eitnehmer. Dazu hatten die Gesundheitskasse und der DGB gem-einsam eingeladen. „Viele Unternehmer sprechen zwar von Digi-talisierung 4.0, aber im Grunde stehen sie noch bei der Umsetzung von 2.0 und holen technische Entwicklungen nach, indem sie beispielsweise einen vollständigen digitalen Arbeitsplatz einrichten und diesen mit anderen vernetzen. "Wie umfassend 4.0 ausfällt, wissen nur die wenigstens." Das sagte Welf Schröter zu Beginn der gemeinsamen Dialog-Veranstaltung von AOK Ostwürttemberg und DGB Nordwürttemberg. Der Referent ist der Experte bei den Gewerkschaften, wenn es um soziale Technikgestaltung geht. Schröter kann 4.0 erst hinter den Begriffen Digitalisierung oder Arbeitswelt setzen, wenn die technischen Systeme nicht nur miteinander vernetzt sind, sondern auch eigenständig dazu lernen und Entscheidungen ohne den Menschen treffen können.

Referent Schröter bei der AOK. AIZ-Fotos: AOK-Ostwürttemberg    
Dazu brachte der Referent ein Beispiel: Ein selbstfahrender LKW, der freitagabends eine Fracht zu einem Warenhaus fährt, kommt in einen Stau. Automatisch wird eine Mitteilung über die Verspätung an den Rechner des Warenhauses gesendet. Dieser wiederum greift auf die Personalien der Belegschaft in einer Datenbank zu und schickt gezielt bestimmten Mitarbeitern eine Anfrage auf deren Sm-artphone, ob sie am Samstag früh die Aufsicht beim Abladeprozess übernehmen können. Diese bestimmten Mitarbeiter werden nach einem definierten Datenprofil und Ranking ausgewählt, etwa ob jung und ledig, ob Kinder da sind, ob Überstunden vorliegen und noch vieles mehr. Daher geht es Schröter bei der Diskussion zur zukün-ftigen Arbeitswelt 4.0 vor allem um die Hoheit der genutzten Daten und dafür klare Regeln, wie diese verwendet werden dürfen.

Es ist aus seiner Sicht wichtig, dass die Personal- und Betriebsräte sich in diese Materie einarbeiten und in ihren Unternehmen über eine vorausschauende Arbeitsgestaltung einbringen, denn stünden solche automatisierten Systeme erst einmal, werde es schwierig nachträglich noch einzugreifen. „Die Arbeitnehmerrechte müssen quasi per Algorithmus im System hinterlegt werden", betont Sch-röter.

Das Beispiel zeigt auch, dass vom Arbeitnehmer in der zukünftigen Arbeitswelt vermutlich noch mehr Flexibilität – geistig wie auch zeitlich - abverlangt wird. Josef Bühler, Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg, griff dies auf und konnte den Arbeitn-ehmervertretern mit Blick auf die heutige Arbeitswelt Entwicklungen aufzeigen, die die Gesundheit des Menschen belasten und in Zuk-unft noch stärker belasten könnten. „In den letzten zehn Jahren sind die Fälle diagnostizierter psychischer Erkrankungen um 70 Prozent gestiegen", berichtet der AOK-Chef. Es ist vierthäufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und verantwortlich für 42 Prozent aller Frühber-entungen."

Diese Diagnosen zu psychischen Erkrankungen seien nicht alleine auf die Arbeitswelt zurückzuführen, doch trüge das Arbeitsumfeld sehr stark dazu bei, ob depressive Verstimmungen sich verstärken oder aufgefangen werden können. „Viele Menschen haben Sch-wierigkeiten, mit dem erhöhten Tempo und der steigenden Kom-plexität in der Arbeitswelt mitzuhalten", sagte AOK-Chef J. Bühler.