"Landrat Pavel warf sein gewichtiges
Wirt in die Wagschale":
Bei jedem zweiten der 16 tödlichen
Unfälle
auf Ostalb war Geschwindigkeit die Ursache
Kreisweite Kooperation der Behörden zur Bekämpfung von
folgenschweren Unfällen läßt erste Erfolge schon heute sehen
Von Polizei-Pressesprecher Bernhard Kohn
Aalen. Zu Beginn des Jahres
erschreckte eine schlimme Unfallnachricht nach der anderen die Polizei und
die Bevölkerung. Bereits nach dem ersten Quartal hatten neun Menschen auf
den Straßen des Kreises ihr Leben lassen müssen. Im langjährigen Schnitt der
letzten 10 Jahre lag dieser Wert, hinter dem so viel Leid steckt, bei 23
Unfallopfern im Jahr. Der Ostalbkreis drohte mit großen Schritten auf ein
trauriges Hoch seit langer Zeit zuzulaufen. Dem soll nun durch eine groß
angelegte Koo-peration aller Behörden des Landkreises, die mit
Geschwindigkeits-messungen betraut sind entgegen gewirkt werden.
Und wer wäre für die Initiierung einer kreisweiten Zusammenarbeit berufener
den Startschuss zu geben als Landrat Pavel? Und so tat er es dann auch.
Spätestens seit der Verwaltungsreform sind die Zuständigkeiten so geregelt,
dass die Kommunen und der Landkreis die Geschwindig-keit innerorts
kontrollieren und die Polizei die Kontrollen außerhalb der Ortschaften
durchführt. Ausnahmen von diesem Grundsatz gibt es an sich nur bei der
Polizei: wo gefährliche oder neuralgische Stellen erkannt werden, sei es
durch die Statistik oder durch Hinweise aus der Bevölkerung, wird geprüft
und bei entsprechendem Ergebnis auch immer wieder gemessen.
Bei Unfällen, die auf Straßen außerhalb der Ortschaften stattfinden, gibt es
statistisch gesehen, häufiger Verletzte und sind die erlittenen Schäden
gravierender. Jeder kann sich herleiten, dass dies an den höheren
Kollisionsgeschwindigkeiten liegt, die auf den Bundes-, Landes-, Kreis- und
Ortsverbindungsstraßen im Vergleich zu innerörtlichen Strecken gefahren
werden können. Und vor dem Hintergrund, dass diese höheren Geschwindigkeiten
häufig über das Maß des Erlaubten hinaus, weiter gesteigert und mit diesen
hohen und zu hohen Geschwindigkeiten dann Unfälle verursacht werden, kann
sich über die nachfolgende statistische Erkenntnis, auf Basis der Unfälle
der letzten zwei Jahre niemand mehr wundern.
Während die Geschwindigkeit als Haupt-Unfallursache bei der Betra-chtung
aller Unfälle (mit Ausnahme der Bagatellschaden-Unfälle) nur bei etwa 15
Prozent eine Rolle spielt, steigt dieser Anteil bei den Unfällen, bei denen
Personen verletzt wurden auf fast 30 Prozent. Bei Unfällen mit tödlichem
Ausgang beobachten wir von der Polizei Spitzenwerte bis 65 und 70 Prozent.
Deutlich mehr als jeder zweite Unfall, bei dem ein Mensch im Ostalbkreis
getötet wurde, war demnach durch zu hohe Geschwindigkeit verursacht.
In den kommenden Monaten werden die Geschwindigkeitskontrollen deshalb
gebündelt und auf die gefahrenträchtigen Außerorts-Stre-cken konzentriert.
Zwar gab es auch in der Vergangenheit schon Kontrollen, bei denen mehrere
Geschwindigkeitsmessungen zeitlich oder örtlich konzentriert wurden, bislang
aber meist nur innerhalb der Polizei, oder in bilateraler Zusammenarbeit
zwischen Polizei und einer Kommune.
Als nun Landrat Pavel, alarmiert durch die negative Entwicklung der
tödlichen Unfälle in den ersten Monaten dieses Jahres, sein gewichtiges Wort
mit in die Waagschale warf, konnte unter Federführung der Verkehrspolizei
ein Konzept entworfen werden, in dem die bislang getrennt stattfindenden
Bemühungen um mehr Verkehrssicherheit gebündelt werden. Der Landkreis und
die drei Großen Kreisstädte werden an bestimmten Tagen die bisherige
Verfahrensweise durchbrechen und auch außerhalb der Ortsgrenzen
kontrollieren, also genau da, wo sich auch die folgenschweren Unfälle
ereignen. Gleichzeitig wird man die Kontrollorte und -zeiten aufeinander
abstimmen, um den Kontrolldruck auf zu schnell fahrende Verkehrsteilnehmer
zu erhöhen und deutlich erkennbar zu machen.
Man wird von Bündel-Kontrollen und Reihen-Kontrollen sprechen können. Bei
Bündel-Kontrollen wird man versuchen den Verkehr, der in einen geografischen
Raum hinein fährt, sternförmig auf den jeweiligen Zufahrtsstraßen zu
kontrollieren. Jeder Autofahrer, der auf einer der größeren Verkehrsachsen
zum Beispiel in eine Große Kreisstadt einfährt, wird durch mindestens eine
Geschwindig-keitskontrolle fahren. Bei Reihenkontrollen wird man auf einem
gedachten Weg durch den Ostalbkreis mehrere Geschwindig-keitskontrollen
hintereinander schalten, so dass ein Fahrer, der den Ostalbkreis
beispielsweise auf der B 29 durchfährt, durch zwei, drei oder vier
Geschwindigkeitskontrollen fahren kann.
Da man an besonderen Schwerpunkttagen auch die Polizei der Nachbarkreise zu
Anschlusskontrollen mit ins Boot holen wird, kann sich die Situation für
Fahrer längerer Strecken noch verschärfen. Zur Erinnerung sei an dieser
Stelle gesagt, dass nur diejenigen belastet werden, die beim zu schnellen
Fahren ertappt werden. Und doppelt und vielleicht dreifach belastet werden
nur diejenigen, die sich permanent nicht an die Geschwindigkeitsgrenzen
halten.
Geschwindigkeitskontrollen, bzw. die Beanstandung zu hoher Geschwindigkeiten
sind ein wesentliches Mittel zur Bekämpfung hoher Unfallzahlen und vor allem
schwerwiegender Unfallfolgen. Die weitverbreitete Meinung, solche Kontrollen
sollten auf Unfal-schwerpunkte begrenzt bleiben, ist ein Irrglaube. Wie die
langjährigen Unfallstellenuntersuchungen der Polizei ganz eindeutig
beweisen, ereignen sich schwere und schwerste Unfälle praktisch überall.
Der größte Schwachpunkt im Verkehrsgeschehen ist der Mensch. Nicht alle
gefahrenträchtigen Stellen sind entschärfbar, aber an jede Gefahrenstelle
kann man seine Geschwindigkeit anpassen. Und viele der schweren Unfälle
ereignen sich nicht an Gefahrenstellen, son-dern weil Fahrphysik,
Geschwindigkeit, Grad der Aufmerksamkeit und Können der Fahrer nicht
aufeinander abgestimmt sind. Und selbst an Gefahrenstellen beweist die Masse
der Verkehrsteilnehmer mit einer Quote jenseits der 99 Prozentmarke, dass
auch diese Stellen mit der richtig gewählten Geschwindigkeit beherrschbar
sind. Das soll nicht heißen, dass gefahrenträchtige Stellen nicht mehr
entschärft werden sollen, das soll aber den Blick dafür schärfen, dass wir
alle selbst zur Erhöhung der Verkehrssicherheit beitragen können.
Mittlerweile haben wir im Ostalbkreis den 12. Verkehrstoten in diesem Jahr
beklagt. Schön wäre, wenn wir diese Liste dieses Jahr nicht weiter
fortschreiben müssten. Bernhard Kohn