Thema "Pflege" war das Topthema auf der letzten Sitzung:
Roland Hamm folgte nun  auf Jörn P. Makko
beim Bezirksrat der AOK Ostwürttemberg

Bühler: Jeder Arbeitnehmer der Pflege des Angehörigen üb-
ernimmt kann kurzfristig bis 10 Tage Freistellung beantragen


Vorsitzwechsel beim AOK-Bezirksrat: Roland Hamm (links) folgte auf Jörn P. Makko.                           AIZ-Foto: AOK Ostwürttenberg
Aalen/Schwäbisch Gmünd.
Zum Jahresbeginn hat turnusgemäß der Vorsitz im Bezirksrat der AOK Ostwürttemberg gewechselt: Roland Hamm, Versichertenvertreter übernimmt von Jörn P. Makko, Vertreter der Arbeitgeber. „Im Jahr 2017 ist vieles in Bewegung“, sagte Roland Hamm. „Die größte Pflegereform seit Einführung der Pflegeversicherung erfährt nun ihre Praxistauglichkeit und regional erleben wir eine Neuaufstellung der Kliniken. Wir werden die Entwicklungen beobachten und uns gegebenenfalls kritisch damit auseinandersetzen und positionieren“, skizziert Hamm den Arbeitsauftrag des Bezirksrates.

Die Pflege war auch Thema bei der letzten Sitzung des Bezirksrates der AOK Ostwürttemberg im vergangenen Jahr. Die Mitglieder informierten sich über die Pflegereform und die derzeitige Situation der Pflege in Ostwürttemberg. So hat sich die Regierung, so erfuhren die Bezirksräte, in den letzten Jahren intensiv mit dem zukünftigen Pflegebedarf in einer älter werdenden Gesellschaft auseinandergesetzt und hat dazu auch Regelungen geschaffen, die es Arbeitnehmern im Falle einer Pflegesituation in der Familie ermöglichen, eine Auszeit vom Beruf zu nehmen. "Bisher werden solche Anträge noch sehr zurückhaltend gestellt", sagt Jörn P. Makko, alternierender Vorsitzender des Bezirksrates der AOK Ostwürttemberg und Vertreter der Arbeitgeber. "Doch die Unternehmen sollten sich frühzeitig mit diesem Thema ausein-andersetzen und sich darauf einstellen, damit es bei steigender Nachfrage seitens der Arbeitnehmer nicht zu Problemen in der Umsetzung kommt."

"Mit dem erweiterten Pflegebedürftigkeitsbegriff werden allein in Ostwürttemberg  ab 2017 rund 2000 Menschen zusätzlich einen Anspruch auf Leistungen aus der Pflegekasse haben", sagt Josef Bühler, Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg und ergänzt: "Damit steigt auch die Zahl der Angehörigen die auf die Freistell-ungsangebote zurückgreifen werden."

Jeder sozialversicherte Arbeitnehmer, so AOK-Chef Bühler, der die Pflege eines Angehörigen übernimmt, kann kurzfristig bis zu 10 Tage Freistellung beantragen und für diesen Zeitraum auf Antrag von der Pflegekasse Pflegeunterstützungsgeld als Lohnersatz erhalten.

Durch das Pflegezeit-Gesetz ist sogar ein vollständiger Ausstieg aus dem Beruf bis zu einem halben Jahr – ohne Unterbrechung – möglich. Voraussetzung sind hier mindestens 15 Beschäftigte im Betrieb und eine rechtzeitige Information des Arbeitgebers mindestens acht Wochen vorher. Die Alternative, so der AOK-Chef, wäre eine Verringerung der Arbeitszeit statt eines vollständigen Ausstiegs.Mit dem Familienpflegezeitgesetz (FpfzG) ist es bereits seit 2012 möglich, auch für zwei Jahre Familienangehörige zu pflegen. Die Arbeitszeit kann in dieser Zeit auf bis zu 15 Stunden pro Woche verkürzt werden. Dieses Anrecht haben allerdings nur Beschäftigte bei einem Unternehmen mit mehr als 25 Arbeitneh-mern.

Die neue Pflege, die mit dem Pflegestärkungsgesetz II geschaffen wurde, bringt verbesserte Leistungen und eine gerechtere und transparentere Pflegeeinstufung. „Das war notwendig und wir begrüßen es sehr“, sagt Vorsitzender Roland Hamm.„Jetzt muss es Aufgabe aller Akteure sein, die Pflege durch den weiteren Ausbau von Netzwerken in den Kommunen und durch Förderung des bürgerschaftlichen Engagements zukunftssicher zu machen.”

Sorgen wegen Pflegekräfte-Mangel: In Ostw-
ürttemberg fehlen nun über 2.000 Fachkräfte

Hintergrund zu Hamms Forderung ist der sich auch in Ostwürttem-berg abzeichnende Fachkräftemangel im Pflegesektor: Bis 2030 fehlen landesweit rund 54.000 Pflegekräfte – in Ostwürttemberg rund 2000. Gleichzeitig wird die Zahl der Pflegebedürftigen weiter steigen. Zurzeit betreut die AOK Ostwürttemberg rund 8000 Versicherte, die Leistungen von der Pflegekasse erhalten. Diese Zahl wird sich bis 2030 fast verdoppeln.

„Es ist unrealistisch zu glauben, dass in den verbleibenden vierzehn Jahren genug Pflegefachkräfte da sein werden. Fachkräftemangel betrifft ja viele Branchen“, betont Geschäftsführer Josef Bühler. „Daher ist es richtig und wichtig, heute schon Netzwerke und Struk-turen aufzubauen, in denen älteren und pflegebedürftigen Menschen wohnortnah geholfen werden kann.

Makko wie auch Hamm sehen beim Thema Pflege schon viele richtige Weichenstellungen. „Auf- und auszubauen sind jetzt Netzwerke und Strukturen die in einer älter werdenden Gesellschaft die Pflegebetroffenen auffangen und weiterhin am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen können“, betont Hamm. „Das kann beispielsweise schon mit einfachen Einkäufen im Rahmen von Nachbarschaftshilfe oder mit Fahrdiensten geschehen.“

Die Arbeitgeberverbände bilden deshalb die Pflegelotsen in den Unternehmen aus. So werde ein Beitrag zur Vernetzung geleistet und Ansprechpartner in den Betrieben aufgebaut, berichtete Makko in seiner Funktion als Geschäftsführer von Südwestmetall in Ostw-ürttemberg. Landesweit seien im Unternehmensnetzwerk familyNET durch BBQ, den Bildungsträger der Wirtschaft, bisher rund 260 Pflegelotsen geschult worden, davon allein 70 in Ostwürttemberg.