Görgs faszinierend
entwickeltes Genre findet Fortsetzung:
Geniale Frauen
erobern Aalen und Schubart
und bekommen dafür noch Preise der Stadt Keine Aalener Korruption der
Schubart-Preis-Jury sondern ein
einstimmiges Votum für 12.000-€-Haupt-Preis für J. Erpenbeck
Schubart-Preis:
Jenny Erpenbeck Foto: Katharina Be-ling)
Aalen. Die Preisträgerinnen für den Schubart-Literaturpreis der
Stadt Aalen für das Jahr 2013 stehen fest: Den Hauptpreis erhält die
Berliner Schriftstellerin Jenny Erpenbeck und der seit 2011 ausgelobte
Schubart-Literaturförderpreis der Kreissparkasse Ostalb geht ebenfalls an
eine Frau - Patricia Görg. Mit dem 1955 gestifteten Preis erinnert die Stadt
Aalen an den großen Sohn ihrer Stadt, den Dichter, Komponisten und ersten
deutschen Journalisten Christian Friedrich Daniel Schubart (1739 - 1791).
Die Jury unter dem Vorsitz von Irene Ferchl votierte einstimmig für die
beiden Berliner Autorinnen.
Den mit 12.000 Euro dotierten Hauptpreis erhält
die Schriftstellerin Jenny Erpenbeck.
Die Jury würdigt mit dieser Auszeichnung vor allem den Roman "Aller Tage
Abend", der im Herbst 2012 erschienen ist, aber auch das durchweg
qualitätvolle Werk der 1967 in Ost-Berlin geborenen Schriftstellerin. Jenny
Erpenbeck gilt als eine besondere Stimme innerhalb der jüngeren deutschen
Literatur. Schon ihr Debüt, die "Geschichte vom alten Kind" (1999) erntete
viel Lob; einen großen, auch internationalen Erfolg feierte sie mit dem
Roman "Heim-suchung" aus dem Jahr 2008.
In "Aller Tage Abend" unternimmt Jenny Erpenbeck ein literarisches
Gedankenexperiment, in dem sie fragt: Was wäre gewesen, wenn das in Galizien
geborene kleine Mädchen den Säuglingstod überlebt hätte? Oder wenn die
erwachsene Frau nicht in einem sowjetischen Straflager umgekommen wäre?
Fünf mögliche Lebensgeschichten ein und derselben Protagonistin erzählt
dieser Roman, begleitet ein individuelles Frauenschicksal von Brody über das
Wien nach dem Ersten Weltkrieg und Stalins Moskau bis in das Berlin der DDR
und der Wendezeit - umspannt also das ganze 20. Jahrhundert.
Die faszinierende Idee dieser Versuchsanordung, in der die fünf "Bücher "
jeweils durch Intermezzi verbunden sind, überzeugte die Jury ebenso wie die
genaue und eindringliche Sprache.
Förderpreis: Patricia Görg.
Foto: Peter Peitsch
Den Förderpreis zum Schubart-Literaturpreis der Stadt Aalen im Jahre 2013
erhält Patricia Görg. Ihr im Berlin-Verlag 2012 erschienenes "Handbuch der
Erfolglosen - Jahrgang zweitausenelf" ist scheinbar eine Chronologie des
Jahres 2011, die Autorin aber verdichtet die Geschehnisse der Kalenderwochen
des Jahres und begegnet diesen mit Exkursen und Fallgeschichten. Es entsteht
ein spannendes Zueinander tatsächlicher Geschehnisse, welche die Leser
möglicherweise vergessen hatten, mit essayistischen wie erzählerischen
Reflektionen, Berichten, Miniaturen und Assozia-tionen großer literarischer
Qualität.
Aus der Vergangenheit hervorgezerrt, fallen die Geschehnisse oft
ins Groteske und werden durch die Arrangements unterschiedlicher Textsorten
mit Beschreibungen und Erzählungen zu Befunden der Gegenwart - vergnüglich,
bissig, kultur- und politikkritisch. Das Herausholen der Erinnerungen ist
keineswegs nur Reminiszenz an ein ereignisreiches Jahr, sondern die Autorin
wagt den Blick, weltumspannende Ereignisse in einen größeren, übergeordneten
Kontext zu stellen. Angesichts kultureller und politischer Komplexität ist
es ein Blick auf ein Scheitern in einem globalen Pandämonium. Das "Handbuch
der Erfolglosen" reiht sich in die kritische Tradition von Schubart und der
Aufklärung und nach der Lektüre entsteht der Wunsch, dass Görgs faszinierend
entwickeltes Genre seine Fortsetzung findet. |