Spiegelungen und
Wandlungen ganz anderer Art begeistern:
Kauern, stehen, schreiten: Kleinköpfe sitzen
auf "schweren Leibern mit dünnen Armen"
Ausstellung
„Spiegelungen" und doppelt von Anette Mürdter
(Plastik) und Susanne Scholz (Malerei) in der
Rathausgalerie
Kommentarloser
Blick in Ausstellung. AIZ-Fotos: Dieter Geissbauer
Aalen.
Sie kauern, stehen, schreiten weit
aus. Zu kleine Köpfe sitzen auf schweren Leibern mit dünnen Armen, scheinen
eine Metamorphose Richtung Tier zu durchlaufen. Charakteristisch für die
Arbeitsweise von Anette Mürdter ist ihr spielerisch-humorvoller Umgang mit
veränderten Proportionen. Die Künstlerin aus Winterbach verwandelt ihre
Keramikplastiken durch Deformation, Übersteigerung und Verkleinerung in
filigrane, auch massig wirkende Wesen, die bestimmte Charaktereigenschaften
widerspiegeln.
Spiegelungen und Wandlungen ganz anderer Art finden sich in der Malerei von
Susanne Scholz. Inspiriert durch Lichtreflexe füllt sie mit expressivem
Pinselstrich großformatige Bildflächen. Nahe an der Grenze zur Abstraktion
scheinen die Farben zu vibrieren, fangen in Blau-Grün-Tönung durchzogen mit
dynamischem Orange das Flirren eines Sommertages ein, reflektieren auf
bewegter Wasseroberfläche Menschen, Natur und Tiere. Öffnungszeiten:
Rathausgalerie Aalen, Marktplatz 30, 73430 Aalen, Dienstag bis Sonntag von
14 bis 17 Uhr. Die Eröffnung der Ausstellung fand am Sonntag in der
Rathausgalerie statt.
Natascha Eutenmaier M. A. vom Kulturamt hat dazu folgendes beschrieben: Vielfältig sind die künstlerischen Spielarten zum Thema Spiegelungen".
Spiegelungen beinhalten auch stets ein Reflektieren des eigenen Selbst, eine
Art Selbstvergewisserung sowie eine Wiedergabe der uns umgebenden Realität.
In den ausgestellten Kunstwerken wird die künstlerische Wahrnehmung von
Realitäts-ausschnitten in transformierter Weise wiedergegeben. Eine Art
parallele Wirklichkeit" entsteht so ein Ausstellungstitel von Susanne
Scholz.
Wie Anette Mürdter und Susanne Scholz mit jeweils ganz eigener
künstlerischer Handschrift dieses Thema aufgreifen, ist äußerst
spannungsvoll, auch mit Humor durchzogen.
Besonders interessante Aspekte ergeben sich natürlich durch die unmittelbare
Gegenüberstellung von Malerei und Keramikplastiken.
Das Spiel mit veränderten Proportionen ist ein prägrtantes Charakteristikum
der Keramikplastiken von Anette Mürdter. In unterschiedlichen
Bewegungsmomenten eingefangen nehmen die Figuren hockende bis weit
ausschreitende Positionen ein. Zu kleine Köpfe sitzen auf schweren Leibern
mit dünnen Armen, gnomartige Wesen sitzen mit überlangen Beinen auf
Dachgiebeln oder sind reduziert auf stelenartige Menschen, die etwas
Archaisches ausstrahlen.
Den Figuren ist eine starke körperliche Präsenz bei
gleichzeitiger Leichtigkeit eigen. Was wiederum eine ganz spezielle Dynamik
erzeugt. Manche scheinen, wie die Köpfe, eine Metamorphose Richtung Tier zu
durchlaufen. Mürdters humorvolle Irritationen spiegeln die menschliche Natur
im Animalischen wieder- und umgekehrt. In dem wunderbaren Prosatext
Vermächtnis" lässt Christian Morgenstern in ironischer Weise genau dieses
Thema anklingen:
Es war um die Zeit, da der Affe zum Menschen wurde. Und am Vorabend seiner
Menschwerdung versammelte der Affe noch einmal alle Tiere um sich, um von
ihnen Abschied zu nehmen." Der Affe, unendlich traurig, wird von allen
Tieren dadurch getröstet, dass einer nach dem anderen tief in seine Augen
blicken und stets den selben Satz wiederholt - vom Schaf bis zur Schlange:
Trage mein Bild stets in Deinem Herzen, so wird es sein, als ob ich mit und
in Dir weiterlebte!" Morgenstern lässt seinen kurzen Prosatext mit der
Erkenntnis enden, dass das Vermächtnis aber, das die Tiere ihrem scheidenden
Kollegen mitgegeben haben, (...) heute noch ungeschwächt unter seinen
Nachkommen fort(wirkt)."
In Stuttgart geboren besuchte Anette Mürdter von 1986-89 die Freie
Kunstschule Nürtingen und studierte dort Freie Keramik". 1989-94 setzte sie
ihr Studium an der staatlichen Akademie der bildenden Künste in Stuttgart
fort mit dem Bildhauerei und Keramik bei Professor K.-H. Seemann und
Giuseppe Spagnulo. Seit 1994 ist sie freischaffende Künstlerin.
Zahlreiche Ausstellungen seit 1996 begleiten ihren künstlerischen Werdegang,
auch Aufträge im öffentlichen Raum wie der Narrenbrunnen" in Kleve oder die
Leseratte" in der Stadtbibllothek Ludwigsburg 2005.
Auf der ganzen Welt gibt es nichts Weicheres und Schwächeres als das
Wasser. Und doch in der Art, wie es dem Harten zus etzt, kommt nichts ihm
gleich. Dass Schwaches das Starke besiegt und Weiches das Harte besiegt,
werde jedermann auf Erden, aber niemand vermag danach zu handeln. <Dao-de
jing)
Treten bei Anette Mürdter Keramikplastiken durch Deformation und
Überzeichnung bestimmte menschliche Charaktereigenschaften und Haltungen in
Erscheinung, zeigt sich die Malerei von Susanne Scholz inspiriert durch
Licht und Wasser.
Auf der windbewegten Wasseroberfläche reflektiert das Sonnenlicht, gibt
Natur, Menschen oder Tiere wieder. Alles entsteht auf der Grundlage von
Licht und Farbe: Neben durchaus erkennbaren Menschen in Aquarellmanier oder
den Tauchern sind die Wahrn-ehmungsimpulse überwiegend um- gesetzt mit
expressivem Pinselduktus und nuanciert gesetzten Lichtpunkten. Sie scheinen
die üppigen Farbflächen vibrieren zu lassen, nahe an der Grenze zur
Abstraktion. Es sind Stimmungen, Lichtspielereien", die sich hier
vermitteln. Stimmungen, die Wärme ausstrahlen und den Betrachter mit
sinnlicher Intensität berühren.
Die Künstlerin studierte in Schwäbisch Gmünd katholische Religion, Bildende
Kunst und Philosophie. Seit 1989 unterrichtet sie als Grund- und
Hauptschulpädagogin und Kunsterzieherin. Wichtige malerische Impulse erhielt
sie an der Kunstakademie Bad Reichenhall bei Matthias Meyer, einem
Meisterschüler von Gerhard Richter und dem international bekannten Künstler
Markus Liipertz.
Seit 1996 hat sie an einer Vielzahl von Ausstellungen teilgen-ommen,
beispielsweise 2001 zusammen mit Waltraud Schwarz bei der Aalener
lmmobiliengesellschaft oder auf der ART Winterbach 2011.
Außer
Konkurrenz: Das Rathaus-Pferdchen nahe der Ausstellung.
|