Auch auf der Ostalb muß
diese Quälerei ein guten Ende haben
Statt Schnitte bei
Ferkel-Kastrati-
on "Impfung gegen Eber-Geruch!"
Tierfreundlichste
schmerzlose Alternative ohne Betäubung als
Alternative aus Untersuchungen den Universität Hohenheim
Muttersau-Haltung ist auch auf der Ostalb im "Kreuzfeuer der Kririk"
Aalen/Stuttgart-Hohenheim.
Zwei kleine Pikse statt zweier schmerzhafter Schnitte – die tierfreundliche
Alternative zur chirurgischen Ferkelkastration ohne Betäubung gibt es
längst. Bei der sogenannten Immunokastration impfen Landwirte die männlichen
Ferkel in zwei Schritten, so dass diese zum Schlachtzeitpunkt mit Tieren vor
der Pubertät vergleichbar sind. Doch obwohl es zugelassen ist und die Tiere
schont, tut sich der Markt mit dem Verfahren noch schwer.
Wissenschaftler der Universität Hohenheim in Stuttgart koordinieren
seit gut einem Jahr ein europaweites Forschungsprojekt, das die
Immunokastration vorantreiben soll – damit sie wettbewerbsfähiger,
umweltfreundlicher und noch mehr auf das Tierwohl ausgerichtet wird. Das
Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert das
Projekt über die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) mit
insgesamt fast 1,3 Millionen Euro. An der Universität Hohenheim sind es gut
283.000 Euro Fördergelder, die das Projekt zu einem Schwergewicht der
Forschung machen.
Es ist zurzeit eine der größten Herausforderungen für die Schweineproduktion
in Europa: Die bisherige Praxis, Ferkel ohne jede Betäubung zu kastrieren,
ist mit den heutigen Tierschutz-Standards nicht vereinbar. Eigentlich sollte
sie daher zum Jahresende verboten werden – der Bundestag berät noch darüber,
ob der Termin verschoben wird.
Das Problem: Die Beteiligten sind sich nicht darüber einig, welche
alternative Methode die geeignetste ist. „Tatsache ist, dass das
Problembewusstsein allgemein in Europa gestiegen ist“, erklärt Prof. Dr.
Volker Stefanski, Schweine-Experte an der Universität Hohen-heim. „Und aus
Sicht des Tierwohls gibt es eine Methode, die den Ansprüchen am besten
gerecht wird: die Immunokastration, bei der die Tiere gegen den Ebergeruch
geimpft werden.“ Sie stünde sofort zur Verfügung, sei seit 15 Jahren
zugelassen und etwa in Belgien schon weit verbreitet.“
Dennoch wird die Immunokastration in Deutschland noch kaum praktiziert. Um
das zu ändern, untersucht er gemeinsam mit seinen Hohenheimer Kollegen apl.
Prof. Dr. Ulrike Weiler,
Prof. Dr. Korinna Huber, Prof. Dr. Ludwig Hölzle, den Doktoranden Linda Wiesner
und Kevin Kress sowie sieben Partner-Institutionen aus ganz Europa, wie sich
die Methode optimieren lässt. Titel des Forschungsprojektes: SuSI – ein
Kürzel für „Sustainability in Pork Production with Imm-unocastration“.
Nicht tierschutzgerecht?
Ohne die Spritzen-
Kastration greift das "Penisbeißen" um sich
Alle anderen Alternativen stellen aus Tierschutz-Sicht keinen wirklichen
Gewinn dar, bestätigt Prof. Dr. Weiler. „Bei der Mast unkastrierter Eber
stellt der unangenehme Ebergeruch, den das Fleisch mancher Eber aufweist,
nur eines der Probleme dar“, erklärt die Expertin. „Ohne Kastration zeigen
die Tiere ein wesentlich aggressiveres Verhalten. Vor allem das Penisbeißen
ist weit verbreitet: Etwa jedes zehnte Tier trägt hochgradige Verletzungen
davon, oft schmerzhafter als eine chirurgische Kastration.“
Bei einer Kastration unter Vollnarkose dagegen sind nicht nur die hohen
Kosten ein Problem: „Bei einer Gasnarkose hat rund ein Fünftel der Tiere
keine ordentliche Betäubung“, erläutert Prof. Dr. Weiler. „Außerdem haben
die Ferkel nur wenig Energiereserven und müssen alle halbe Stunde trinken.
Sie verpassen also Mahlzeiten und werden dadurch geschwächt. Darüber hinaus
steigt die Gefahr, dass sie von der Mutter erdrückt werden.“
Auch die oft propagierte lokale Betäubung durch den Landwirt selbst sieht
sie kritisch: „Die Anästhesie selbst ist schon schmerzhaft und sogar für
Tierärzte nicht ganz einfach durchzuführen. Die Methode ist also nicht nur
unzuverlässig, sie kann den Tieren sogar mehr Stress verursachen als die
bisherige Praxis.“
Forscher sind sich heute
einig: Immunokastr-ation: Unsicherheit u. mangelnde Akzeptanz
Nach Ansicht der Forscher ist daher die
Immunokastration die Methode der Wahl. Dabei erhält der Eber zwei Impfungen,
die das Immunsystem zur Bildung von Antikörpern gegen körpereigene Hormone
anregen. Nach der zweiten Impfung wird die Hormonproduktion eingestellt, der
Pubertätseintritt verzögert sich. Die Kosten betragen rund 2,50 Euro pro
Injektion, und der Landwirt darf sie selbst durchführen. „Eigentlich dient
die Methode dem Verbraucherschutz und dem Tierschutz gleichermaßen“, meint
Prof. Dr. Stefanski.
Dass sie dennoch in Deutschland bisher kaum praktiziert wird, sieht er vor
allem in der mangelhaften Marktakzeptanz, denn Einzelhandel und
Schlachtbetriebe lehnen die Produkte bisher meist ab. „Das Verfahren
bedeutet außerdem eine Veränderung in der Produktionskette“, erläutert Prof.
Dr. Stefanski. „Jetzt führt der Ferkelproduzent die Kastration durch, doch
die Immunokastration findet später statt. Der Arbeitsschritt und die Kosten
werden daher auf den Mäster übertragen – und diese Veränderung bringt
Unsicherheit mit sich.“
Im Forschungsprojekt SuSI wollen die Forscher nun alle drei Säulen der
Nachhaltigkeit – Wirtschaft, Umwelt und soziale Aspekte – bei der
Immunkastration weiter optimieren: Sie soll wettbewerbsfähiger und
umweltfreundlicher werden sowie das Tierwohl und damit die Wünsche der
Verbraucher bestmöglich berücksichtigen.
Immunokastration sollte Standard-Methode sein: „Bereits jetzt
können wir sagen, dass die Immunokastration in vielerlei Hinsicht besser
abschneidet als die anderen Methoden“, berichtet Prof. Dr. Stefanski. „Die
Umweltbilanz ist jetzt schon besser und bezüglich Magengeschwüre sind die
Tiere unauffällig, was auf wenig Stress schließen lässt.“
Die Immunkastrate, so der Experte, zeigen insgesamt ein wesentlich weniger
aggressives Verhalten. „Sie reiten außerdem kaum auf Buchtengenossen auf und
schachten kaum aus. Verletzungen durch Penisbeißen sind daher selten.“
Kurzum: Nach dem bisherigen Kenntnisstand ist die Immunokas-tration
zuverlässig und bewirkt eine positive Verhaltensänderung. „Das Verfahren
sollte daher künftig Standard sein.“
Schluß auch mit der
Quälerei auf der Ostalb
Forschung: Öonomische und soziale Aspekte
An der Universität Hohenheim steht vor allem
der Aspekt des Tierw-ohls im Vordergrund. An der Versuchsstation Unterer
Lindenhof haben die Wissenschaftler insgesamt rund 140 Schweine im Versuch –
unkastrierte Eber, Immunokastrate und klassisch kast-rierte Tiere.
Jeweils ein Teil der Tiere lebt unter Bedingungen, die der ökologischen
Haltung entsprechen, ein anderer Teil wird unter konventionellen, aber
stabilen Bedingungen gehalten. Der dritte Teil schließlich wird so gehalten,
wie es in der Praxis auch oft gehandhabt wird: Konventionelle Haltung,
jedoch mit Umstallung nach der Immunisierung – wobei die geänderte
Gruppenzusamm-ensetzung für die Tiere einen Stressfaktor darstellt.
Wie sich das auf die Tiere auswirkt, ermittelt das Forscherteam anh-and
verschiedener Faktoren. Sie beobachten, wie sich jeweils das Aggressions-
und Sexualverhalten verändert. Sie entnehmen Blutproben um zu überprüfen, ob
Antikörper nach der Immunisierung vorhanden sind, die die männlichen
Geschlechtshormone unterdrücken, und ermitteln, ob das individuelle
Verhalten mit dem Hormonspiegel korreliert.
Nach der Schlachtung der Tiere untersuchen die Hohenheimer
Veterinärmediziner Prof. Dr. Ludwig Hölzle und Prof. Dr. Korinna Huber die
Darmgesundheit und die Zusammensetzung der Mikroorga-nismen im Darm der
Tiere. Sie prüfen auf Magengeschwüre und verschicken Proben an
Partner-Institutionen: Das Fleisch untersuchen die slowenischen Partner
sensorisch, Kotproben gehen zum belgischen Partner für die Umweltbilanz.
Bis zum Ende des Projektes im August 2020 wollen die Projekt-partner
gemeinsam Erkenntnisse zur Ernährung der Immunokastrate gewinnen, sie wollen
eine noch bessere Umweltbilanz erzielen mit weniger Stickstoffausscheidung
und einer besseren Treibhaus-gasbilanz. Ihr Ziel ist die Wirtschaftlichkeit
des Verfahrens zu verbessern, die Verbraucherakzeptanz zu untersuchen und
eine hohe Produktqualität zu gewährleisten.
HINTERGRUND zu den eingesetzten Versuchstieren: Im SuSI-Projekt
werden Masthybriden (Pietrain / Deutsche Landrasse) eingesetzt. Die Tiere
sind eine Eigenanzucht des Unteren Linden-hofs, der Versuchsstation der
Universität Hohenheim. Im Alter von rund sechs Monaten werden die Tiere, wie
ihre Artgenossen aus normalen Mastbetrieben, zur Schlachtung gebracht. Sie
findet am Bildungs- und Wissenszentrum Boxberg (Landesanstalt
für Schwei-nezucht LSZ) statt. Schweine waren laut der Versuchstiermeldung
von 2017 mit 237 Tieren das dritthäufigste Versuchstier an der Universität
Hohenheim nach Hühnern (4.705 Tiere) und Hausmäusen (603 Tiere).
Nachhaltige Schweinefleischproduktion mit Immunokastraten (SuSI):
Das Forschungsvorhaben SuSI startete am 1.9.2017 und
wird bis 31.8.2020 laufen.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) fördert es
über die Bundesanstalt für Land-wirtschaft und Ernährung (BLE) an der
Universität Hohenheim mit 283.179 Euro, die gesamte Fördersumme beträgt
1.293.000 Euro.
Die Universität Hohenheim koordiniert das Projekt. Kooperations-partner
sind:
-
Institute for Agricultural
and Fisheries Research (Belgien),
-
French National Institute
for Agricultural Research (Frankreich),
-
Kmetijski institut
SLovenije = Agricultural Institute of Slovenia (Slowenien),
-
University of
Ljubljana-Veterinary Faculty (Slowenien),
-
SEGES Pig Research Centre
(Dänemark),
-
Warsaw University of Life
Sciences (Polen),
-
Wageningen University
(Niederlande).
Website: https://susi.uni-hohenheim.de/
Schwergewichte der Forschung: 33,1 Millionen Euro an Drittmitteln
akquirierten Wissenschaftler der Universität Hohenheim 2017 für Forschung
und Lehre. In loser Folge präsentiert die Reihe „Schwergewichte der
Forschung“ herausragende Forschungsprojekte mit einem finanziellen Volumen
von mindestens 250.000 Euro für apparative Forschung bzw. 125.000 Euro für
nicht-apparative Forsch-ung.
Mehr Infos:
Expertenliste Ferkelkastration
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