Tag hätte sich das Gericht
20.11. sehr gut ersparen können:
13 Zeugen und
Beweisanträge brachten kein
Licht ins Dunkel der Kiss-Massen-Schlagerei
Seit wann darf Verletzte aus Angst vor
Angeklagtem keine
AIZ-Leserbriefe schreiben - Knast ist sicher aber wie hoch?
Das Amtsgericht in Aalen heute.
AIZ-Fotos: Dieter Geissbauer
Aalen.
Das Schöffengericht des Amtsgerichtes Aalen hätte sich die Anhörung von 13
Zeugen in Sachen Massenschlägerei "in der Russen-Disko Kiss" sparen können.
Aber: Die Anhörung der 13 Zeugen war so notwendig wie ein Kropf. Das war
nicht ein Tag des Gerichtes das eigentlich aufgrund der bisher
festgestellten Tat-sachen Milde walten ließ und den umfangreichen am letzten
Verhandlungstag gestellten Beweisantrag hätte zurück weisen müssen.
So
schmutzig wie der Briefkasten des Amtsgerichtes Aalen ist die-ser Prozeß
gegen den Albaner. Die Verteidigung hat die "Mein-ungsfreiheit" einer Zeugin
in Frage gestellt und auch bemängelt, dass Menschen die verletzt wurden
Leserbriefe schreiben dürfen...
Der 20. November hatte alleine offensichtlich nur das Ziel zu beweisen dass
nicht der Angeklagte ein brutaler Täter war, sondern auch "Opfer" und dass
zumindest die Leserbriefschreiberin aus der AIZ verunsichert wurde und sie
sich sogar von Rechtsanwalt Böhm vorhalten musste, dass sie "aus Angst einen
Leserbrief zu den brutalen Schlägen des Albaners" geschrieben hatte.
Hier am
Amtsgericht Aalen hat schon Staranwalt Rolf Bossi für Ger-echtigkeit
gekämpft u. wäre ein sehr guter Lehrmeister für Rechts-anwälte deren
Mandaten die Beweisanträge nicht selbst beantragen.
Strafrichter Lang hatte diesen unnötigen Zeugentag ebenso wie die beiden
Schöffinnen als gegeben hingenommen und nicht einmal dem Anwalt des
Beklagten widersprochen, als der "so viel Zeit wie wir benötigen" bei den
Zeugenvernehmungen ankündigte. Aber auch die Fragen des Staatsanwaltes waren
da nicht aufschlussreicher und hatten auch kaum Licht in das Dunkel der
Schlägerei in der "Russendisko" gebracht.
Aufgefallen ist dass plötzlich am Dienstag die Spannung und die Angst der
vielen Zuschauer vor dem Angeklagten plötzlich verfolgen war, obwohl die
Polizei zu Dritt im Saal Zeugenschutz gewährte. Noch besser: Der angeklagte
griff zu Prozessbeginn nicht einmal die AIZ an und hat nicht mehr gedroht
nachdem wir uns über unsere Zeitung gewehrt hatten von der albanischen
Drohung, sondern sagte artig und höflich zum AIZ-Berichterstatter "Guten
Morgen..." Er sagte zu den Vorwürfen kein einziges Wort, sondern strahlte
plötzlich Frieden aus währ end im Saal die albanischen Fami-lienmitglieder
und draußen die Zeugen lange warten mussten bis endlich Zeugen kamen, die
was zu sagen hatten.
Nach jetzigem Sachstand wird der Beklagte Vahid F. aus Oberko-chen wegen
Gefährlicher Körperverletzung nicht etwa freigespro-chen sondern zu
mindestens zehn Monaten Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt. Eine
solch harte Strafe hat er dem Beweis-antrag seines Verteidigers Böhm zu
verdanken, weshalb am Diens-tag 13 Zeugen angehört werden mussten und doch
nichts Neues an das Tageslicht brachten: Das Ziel des Beweisantrages den
angeklagten albanischen Schläger zum Opfer zu machen wurde zu 100 %
verfehlt.
Aus Fairness seien drei der 13 Zeugenaussagen wenigstens beleu-chtet, damit
sich auch die AIZ-Leser ein Urteil bilden können: Zeuge Thomas G. aus
Ellwangen musste eine sehr peinliche Frage des Strafrichters Michael Lang
schon zu Beginn beantworten: "Wie kommt der Angeklagte im Beweisantrag an
Ihre Adresse?" Erst so langsam stellte sich durch weitere Fragen des
Strafrichters heraus "dass wir Freunde sind".
Thomas G. beschrieb die Massenschlägerei im "Kiss" so: "Der Angeklagte hat
den ersten Faustschlag bekommen (war also Opfer und nicht Täter) "und daraus
entwickelte sich die Massen-Schlägerei". "Es waren etwa 65 Schläger die
gegen den Angeklagten angetreten sind denke ich mir" und Richter Lang
ermahnte den Zeugen: "Denken ist Glückssache hier zählen nur Tatsachen vor
Gericht". Dem kam der Zeuge vergeblich nach: "Draußen vor der Disko nahm die
Schlägerei ihren Anfang". Dazu Richter Lang: "Haben Sie das gesehen?" Haben
Sie gesehen dass die Drei draußen auf den Angeklagten eingeschlagen haben
oder?" Antwort: "Nein". Also war schon der Erste Entlastungszeuge abgehakt.
Zeugin W. (Verletzte) dagegen verbarg ihre Angst vor der Brutalität des
Angeklagten nicht. Sie berichtete: "Als alle aus der Disko raus gelaufen
sind ging auch ich hinter her. Das Publikum schätzte sie auf Frage des
Richters auf "80 bis 90 % Rußlanddeutsche" ein. Die Auseinandersetzung mit
ihr schilderte die Zeugin so: "Ich war in Panik und habe geweint und den
Angeklagten beim, Schlagen angesprochen: Was machst Du hier
zuzuschlagen?" Sie habe ihn keinesfalls beleidigt, sagte die Zeugin auf
Frage von Richter Lang.
Dabei war bemerkenswert, dass im Beweisantrag der Verteidigung zwar diese
Zeugin die vom Angeklagten verletzt wurde geladen wurde, aber noch immer das
Schöffengericht die Adresse der Zeugin bekannt gegeben hat, sondern
offensichtlich weiterhin davon aus-gegangen wird, dass die Zeugin vom
Angeklagten bedrängt werden könnte.
Jedenfalls Ausdrücke wie "Schlampe" seien vielleicht nicht gefallen, aber
der Angeklagte sei es gewesen, der zugeschlagen hat: "Warum haben Sie mich
ins Gesicht geschlagen" hatte die Zeugin den Angeklagten gefragt und auch in
der Verhandlung keine Antwort bekommen. Vielmehr hat die Verteidigung in
ihrem Beweisantrag behauptet der Angeklagte habe der Zeugin "nur eine
Ohrfeige verpasst" und gemutmaßt, dass die Zeugin "so viel Schmerzensgeld
wie möglich herausschlagen will". Das verneinte die Zeugin.
Dann kam ein Kapitel das unter die Gürtellinie gegangen ist: Rechtsanwalt
Böhm fragte die Zeugin "haben Sie den anonymen Leserbrief exklusiv (in der
AIZ) geschrieben. Die Zeugin: "Ja". Darauf vorwurfsvoll Böhm: "Wie kommen
sie dazu Leserbriefe zu schreiben". Antwort: "Das ist meine Privatäußerung.
Alle - nicht nur ich - haben Angst vor dem Angeklagten. Ich hoffe dass ich
dem in meinem Leben niemals mehr begegnen muss". Den Vorwurf "haben Sie auf
ein hohes Schmerzensgeld spekuliert?" beantwortete die Zeugin mit "Nein".
Außerdem rügte der Verteidiger des Angeklagten "dass die Zeugin gegen meinen
Mandanten recherchiert hat" was die Zeugin als "legitime Meinungsäußerung
bezeichnete.
Ein weiterer Zeuge wurde abgeklopft ob er seine Aussage nach "Absprachen mit
der Familie des Angeklagten" gemacht hat. Zuerst "Nein" und viel später auf
Nachfrage des Staatsanwaltes Homburger "wir sind freunde" und "Ich habe
versucht den streit zu schlichten und denjenigen der auf den Angeklagten
einschlug weg zu ziehen" und als es um die Fragen ging ob der Zeige gesehen
hat wie brutal der Angeklagte der Zeugin ins Gesicht schlug hatte der Zeuge
plötzlich "keine Erinnerung mehr".
Einig waren sich alle Zeugen dass die Massenschlägerei "chao-tisch" war und
heute kaum feststellbar ist wer wann und wo zugeschlagen oder zugestochen
hat. Der Prozeß soll noch diese Woche fortgesetzt werden.
Dieter Geissbauer |