Respektvollen Umgang mit den gefährlichen
Fund-Arbeiten:
Auch für alle Bürger der Ostalb riskieren 2017
täglich die Bombenentschärfer Leben u. Tod
RP Reimer:
„Dank der sorgsamen Arbeit wird das Land BW
durch jede Bomben-Bergung immer kleines bisschen sicherer"
Sicherheit: Der Leiter des KMBD Ralf Vendel mit einer
Bombe.
Aalen. Auch wenn der
zweite Weltkrieg schon über 70 Jahre zurück liegt, ist das Aufkommen an
Munitionsfunden immer noch hoch. Im Jahr 2016 wurden von der Polizei und
anderen Dienststellen 886 Munitionsfunde (2015: 898) gemeldet. Die
geborgene Munition hatte ein Gesamtgewicht von 102 613 kg (2015:
104.778 kg). Darunter befanden sich 19 Bomben (2015: 25) mit einem
Mindestgewicht von 50 kg. Neben den besonders gefährlichen
Sprengbomben werden insbesondere im Raum Stuttgart vielfach
Phosphorbrandbomben und die Flammstrahlbomben geborgen. Die
Auffindesituationen ähneln sich häufig: Meist wird bei Baumaßnahmen der
Bombenkopf als erstes gesichtet, da eine nicht-detonierte Bombe nach dem
Einsinken ins Erdreich je nach Bodenbeschaffenheit in etwa 2-5 Meter Tiefe
aufgrund der zunehmenden Bodenverdichtung wieder den Weg zurück in Richtung
Erdoberfläche nimmt. Neben der Bombenbergung darf die Gefahr, die von
Kleinmunition ausgeht, nicht unterschätzt werden. Sie kann ein
unvorhersehbares Risiko bergen und sorgt für die meisten Unfälle bei der
Bergung.
500
Pund-schwere Bombe wird am Fundort geborgen.
Regierungspräsident Wolfgang Reimer betont: „Dank der sorgsamen Arbeit der
Mitarbeiter des Kampfmittelbeseitigungsdienstes wird das Land
Baden-Württemberg durch jede Bergung einer Bombe immer ein kleines bisschen
sicherer." Dies liegt insbesondere an dem respektvollen Umgang der
Mitarbeiter mit den gefährlichen Arbeiten an den Munitionsfunden und dem
Umgang mit der ernstzunehmenden Situation. „Ich bin stolz auf die geleistete
Arbeit und bedanke mich bei meinen Mitarbeitern für ihren jahrelangen
zuverlässigen Einsatz. Das ist wahrlich ehrenhaft", so Regierungspräsident
Reimer über die Arbeit des KMBD.
Die Bomben
werden zuerst im sicheren Bunker gelagert.
Auch die Mitarbeiter selbst sind sich ihrer verantwortungsvollen und
gefährlichen Arbeit bewusst: „Von Angst kann jedoch keine Rede sein, wenn
wir zu einem Einsatz fahren. Ich würde es eher als eine Art Vorspannung
bezeichnen, vor dem, was auf uns zukommt", beschreibt Truppführer Matthias
Peterle die Gefühlslage vor einem Einsatz. Auch den nächsten Jahren sieht er
positiv entgegen. Eine Prognose dafür, wann alle Kampfmittel des Zweiten
Weltkriegs beseitigt sein werden, ist schwer zu treffen. Matthias Peterle
geht aber davon aus, dass die Mitarbeiter des KMBD mit den Altlasten des
Krieges noch etliche Jahrzehnte beschäftigt sein werden. Neben der
Munitionsbergung und –vernichtung obliegt dem KMBD die Luftbildauswertung.
Im Jahr 2016 gingen insgesamt 2 080 Anträge zur
Luftbildauswertung von Bauherren, Baufirmen, Ingenieurbüros und Kommunen
beim Kampfmittelbeseitigungsdienst
ein (2015: 1 938). Diese Arbeit ist ebenfalls ein Beispiel für die aktive
Wirtschaftsförderung des Regierungspräsidiums Stuttgart. Im Archiv stehen
den Mitarbeitern 110 000 Luftaufnahmen der alliierten Streitkräfte zur
Verfügung.
Lehrmittel-Sammlung des KMBD
AIZ-Fotos: KMBD BW
Darüber hinaus wurde 2016 eine Fläche von 194 000 m2
durch den KMBD auf eine Belastung mit Kampfmitteln abgesucht, um eine
Bebauung der Flächen möglich zu machen. Dies entspricht einer Größe von rund
27 Fußballfeldern.
Die Bomben
werden zersägt.
Am Sitz des KMBD im Sindelfinger Wald wurden im Jahr 2016 93 880 kg
Munition (2015: 96 452 kg) und 27 650 kg Waffen (2015: 26 755 kg)
vernichtet. Dies ergibt eine Anzahl von etwa 16 600 Waffen (2015:16
100). Zu den Waffen gehörten 8 500 kg Munition (2015: 12 699). Ein
Großteil der zu vernichtenden Waffen ergibt sich aus jenen, die freiwillig
von Bürgern bei der Polizei- oder Waffenbehörden abgegeben werden. Die
gesammelten Waffen werden vom KMBD in eigenen Vernichtungsöfen ausgebrannt
und der Schrottverwertung zugeführt. Seit dem Amoklauf von Winnenden am 11.
März 2009 wird von der freiwilligen Waffenabgabe vermehrt Gebrauch gemacht.
Auch bewirkten temporäre Amnestieregeln ein starkes Ansteigen der
Waffenabgaben.
Um die Einsatzfähigkeit des KMBD sicherzustellen, ist die kontinuierliche
Erneuerung der Ausstattung und Technik erforderlich. Neben neuen
Einsatzfahrzeugen wurden insbesondere eine sogenannte Raketenklemme zur
Fernentschärfung besonders gefahrenträchtiger Bombenfunde sowie ein
Spektrometer zur Analyse der Inhaltsstoffe von Kampfmitteln beschafft.
Hintergrundinformationen:
Kampfmittel aus dem zweiten Weltkr-ieg, seien es Granaten,
Patronen, Minen oder Bomben, die über den Industriezentren
Baden-Württembergs wie Stuttgart, Mannheim, Karlsruhe, Heilbronn,
Friedrichshafen und Ulm abgeworfen wurden, aber nicht detoniert sind,
stellten – und stellen bis heute – eine erhebliche Gefährdung für die
Bevölkerung dar. Wann immer Blindgänger gemeldet werden oder Bauvorhaben auf
Geländen anstehen, die über die Luftbildauswertung als besonders gefährdet
für diese Altlast gelten, kommt der Kampfmittelbeseitigungsdienst (KMBD) zum
Einsatz.
1946 wurden erstmals Sprengkommandos
eingesetzt, die mit Fachleuten besetzt waren und so eine fachgerechte
Beseitigung der Munition gewährleistete. Hieraus entstand der KMBD. Zum 1.
Mai 1971 wurde die Zuständigkeit auf das Regierungspräsidium Stuttgart
übertragen. Das dortige Referat 16 ist zuständig für alle vier
Regierungsbezirke in Baden-Württemberg.
Der Einsatzbereich reicht von der
Entschärfung von Kampfmitteln über die Beförderung geborgener Kampfmittel
bis hin zur Vernichtung und der anschließenden Verwertung des angefallenen
Materials. Die Vernichtung findet im Sindelfinger Wald statt, wo der KMBD
auf einer Fläche von rund 6 Hektar seinen Sitz hat.
Nicht alle Bomben lassen sich entschärfen.
Dies kann vor allem bei Bombenlangzeitzündern der Fall sein. In letzter
Konsequenz werden derartige Bombe kontrolliert zur Detonation gebracht.
Neben der Entschärfung von Bomben und der
Vernichtung der Kriegsmunition kümmert sich der KMBD auch um die Vernichtung
von abgegebenen Waffen, deren Munition und verbotener Gegenstände nach dem
Waffengesetz.
Zurzeit sind 33 Mitarbeiter beim KMBD
beschäftigt – darunter neun Feuerwerker, vier Munitionsvorarbeiter, zehn
Munitionsfacharbeiter und sechs Luftbildauswerter.
Bis zu neun Teams werden jeden Tag
losgeschickt, um Blindgänger und Munition des Zweiten Weltkrieges zu bergen.
Ein Bereitschaftsdienst stellt die Einsatzfähigkeit nach Dienstschluss und
an Wochenenden und Feiertagen sicher. Seit August 2016 ist in der über
70-jährigen Geschichte des KMBD die erste Frau im Außendienst als
Truppführerin im Einsatz. Die Leitung des KMBD hat derzeit Ralf Vendel inne. |