Auf Ostalb
Sprechstunden ohne Wartezimmer per Bildschirm?
"Zuckerbrot statt Peitsche": Digital-Chancen für bessere u. koordinierte
AOK-Versorgung
AOK-Werbe-Weltmeister J. Bühler:
"Telemedizin ist nur eines
von vielen Digitalisierungs-Projekten im Gesundheits-Sektor"
AOK-GF Josef
Bühler rechnet mit der digitalen Arztbehandlu-ng auf Ostalb bereits schon
2019. AIZ-Foto: Dieter Geissbauer
Aalen/Schwäbisch
Gmünd/Heidenheim. "Chancen für eine bessere und koordinierte
Versorgung": Der Bezirksrat der AOK Ostwürttemberg informiert sich über den
Stand der Digitalisierung im Gesundheitssektor und diskutiert über die
Chancen und Risiken. Die Landesärztekammer in Baden-Württemberg hatte jüngst
die Regelung zur Fernbehandlung von Patienten gelockert. Ärztliche
Konsultationen sollen nach einer Erprobungsphase auch über
Kommunikationsnetze möglich werden. Dieses Pilotprojekt ist ein Baustein der
Digitalisierungsoffensive der Landesregierung.
Notebook wird
in Arztpraxis eingesetzt, aber bei der digitalen Vern-etzung läuft es noch
nicht wirklich rund. Der AOK-Bezirksrat aus Ostwürttemberg setzte sich
deshalb nun kritisch damit auseinander.
„Sprechstunden per Bildschirm können die ärztliche Versorgung vornehmlich in
strukturschwachen Gebieten ergänzen und den Versicherten schnellen und
unkomplizierten Zugang zu einem Arzt ermöglichen“, ist Josef Bühler,
Geschäftsführer der AOK Ostwürtt-emberg überzeugt. Die Telemedizin ist nur
eines von vielen Projek-ten der Digitalisierung im Gesundheitssektor.
Darüber informierte sich und diskutierte der Bezirksrat der AOK
Ostwürttemberg in seiner Sommersitzung. „Das deutsche
Gesundheitssystem ist was die Digitalisierung angeht, noch immer in den
Startlöchern und hinkt der gesamten Entwicklung in diesem Bereich
hinterher“, betont Bühler. „Es muss weiter politischer Druck aufgebaut
werden, damit es vorangeht.“
Die Ursachen für den niedrigen Digitalisierungsgrad sind laut dem
Geschäftsführer der AOK Ostwürttemberg vielfältig. So fehle es einerseits an
einer koordinierenden Stelle mit Vollzugsrechten, andererseits haben
verschiedene Gruppen kein gesteigertes Intere-sse an einer Vernetzung, da es
die Transparenz und damit auch die Kontrollierbarkeit erhöht. Zurzeit gebe
es auch keine einheitliche technische Plattform. Oft werde auch der
Datenschutz und die Datensicherheit als K.O.-Argument genutzt, um die
Digitalisierungs-pläne zu torpedieren. Der AOK-Chef hat die
Hoffnung, dass das 2016 in Kraft getretene e-Health-Gesetz die Entwicklung
nun beschleunigt. „Es gilt hier das Prinzip Zuckerbrot und Peitsche.
So werden zum einen Arztpraxen mit Geld belohnt, wenn Sie digital arbeiten,
zum anderen werden Fristen festgelegt, bis wann bestimmte Dinge umgesetzt
werden müssen. Mit Blick auf die elektronische Gesundheitskarte
(eGK) gebe das Gesetz zeitliche Fristen vor, bis wann Anwendungen eingeführt
werden sollen. „Der Medikationsplan und Informationen zu Unverträglichkeit
von medizinischen Wirkstoffen gehören auf der eGK gespeichert, damit im
Notfall schnell und richtig reagiert werden kann“, sagt Josef Bühler. Das
würden sich laut einer Umfrage über 80 Prozent der Bundesbürger auch
wünschen.
Der AOK-Chef hofft, dass diese Funktion wie vorgesehen 2019 eingeführt ist.
Die AOK Baden-Württemberg werde hier den Druck aufrechterhalten, damit es
sich nicht verzögert. „Die Menschen sehen den klaren Nutzen. Solche
wichtigen Daten für sofortigen Abruf können Leben retten“, ist Bühler
überzeugt. Im Modellprojekt „Praxisnetz Heilbronn“ profitieren
schon jetzt über 10.000 AOK-Versicherte von der Vernetzung von knapp 60
Arztpraxen. „Die Vorteile sind eine schnellere und bessere Versorgung des
Patienten und eine optimierte Vernetzung durch einheitliche digitale
Prozesse. Dies soll zügig bei allen Ärzten, die am AOK-Haus- und
Facharztprogramm teilnehmen, flächendeckend umgesetzt werden“, erklärt
Bühler. „Hier müssen wir viele Menschen noch aufklären und überzeugen, dass
ihnen eine bessere digitale Vernetzung der Ärztinnen und Ärzte in der
Versorgung zugute kommt. Nach einer Umfrage liegt die Zustimmung zur
intensiveren Nutzung digitaler Medien bisher lediglich bei 33 Prozent.
Für Roland Hamm, Vorsitzender des Bezirksrates der AOK Ostwürttemberg und 1.
Bevollmächtigter der IG Metall im Ostalb-kreis, sieht in der Digitalisierung
deutliche Vorteile, doch mahnt er auch, dass bei aller Faszination über die
technischen Möglichkeiten der Versicherte und Patient mit seinen
Bedürfnissen im Mittelpunkt bleiben muss. „Die Versicherten müssen Herr
ihrer Daten bleiben und entscheiden, wo, wann und wie ihre Daten verwendet
werden. Nur so kann man das Vertrauen der Menschen in das Gesundheitssystem
bewahren“, sagt Hamm.
Dies, so Bühler, sei im e-Health-Gesetz so vorgegeben, die tech-nische
Umsetzung stehe aber noch aus. Jörn P. Makko, alternierender
Vorsitzender des Bezirksrates der AOK Ostwür-ttemberg, Arbeitgeberseite und
Geschäftsführer Südwestmetall, betont die absolute Notwendigkeit der
Digitalisierung im Gesundh-eitssektor. „In der Industrie laufen Prozesse
zunehmend digitalisiert ab. Diese Entwicklung wird und darf auch vor dem
Gesundheits-system nicht halt machen. Die technischen Möglichkeiten
sind heute schon größtenteils vorhanden, es gilt mehr Geschwind-igkeit in
die Umsetzung zu bekommen. Die Digitalisierung gibt Werkzeuge an die Hand,
um Prozesse effizienter zum Wohle aller zu gestalten. Diese Möglichkeiten
sollten genutzt werden.“
Über den Bezirksrat der AOK Ostwürttemberg: Das paritätisch aus Arbeitgeber-
und Versichertenvertretern zusammengesetzte Organ der Selbstverwaltung
unterstützt die Geschäftsführung der AOK Ostwürttemberg in
gesundheitspolitischen Fragen. Der AOK-Bezirksrat Ostwürttemberg setzt sich
jeweils aus 13 Arbeitnehmer- und 13 Arbeitgebervertretern zusammen. Die
ehrenamtlichen Vors-itzenden des Bezirksrates sind im jährlichen Wechsel
Roland Hamm, 1. Bevollmächtigter der IG Metall im Ostalbkreis
(Versichertenvertreter) und Jörn P. Makko, Geschäftsführer Südwest-metall
Bezirksgruppe Ostwürttemberg (Arbeitgeb-ervertreter). |