Die Agrarförderung auf der Ostalb kommt endlich auf Touren:
Ostalb-Kenner Minister Peter Hauck verspri-
cht auch für Ostalb Landwirte-Unterstützung

„Landwirtschaft: Auf zu neuen Ufern“ gibt Anstöße für GAP-
Neuausrichtung
: Plädoyer für die Verantwortungsgemeinschaft

Aalen
/Esslingen.
eine zukunftsorientierte Ausrichtung der Agrarf-örderung beinhaltet weit mehr als die wirtsch-aftliche Unterstützung der Landwirtschaft: Die Frage ist vielmehr, wie auch ökologisch und sozial bestmögliche Fö-rderinstrumente entwi-ckelt werden können. Die Laufzeit der akt-uellen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union endet im Jahr 2020. Doch sch-on heute we-rden Weichen dafür gestellt, wie die jähr-lich rund 60 Milliarden Euro im EU-Agrarh-aushalt künftig verteilt werden. Im Rahmen der Tagung „Land-wirtschaft: Auf zu neuen Ufern“, die am vergangenen Donn-erstag, 13. Juli 2017, in Kooperation mit den baden-württem-bergischen Landesverbänden des Bundes für Umwelt und Natursch-utz Deutschland (BUND), des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) sowie der Arbeitsgemeinschaft Ökologischer Landbau e.V. (AÖL) in der Evangelischen Akademie Bad Bollstattfand, diskutierten zahlreiche Sektorvertreterinnen und -vertreter kontrovers die gesamt-gesellschaftlich relevanten Aspekte der GAP.

In seinem Impulsvortrag sprach Peter Hauk MdL, Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg, sich klar für eine Verantwortungsgemeinschaft aus: „Wir erwarten von der Landwirtschaft einen verantwortungsvollen Umgang mit der Natur – doch zugleich muss auch vonseiten der Gesellschaft Verständnis für die Landwirtschaft aufgebracht werden. Auch im Umgang mit unseren Landwirtinnen und Landwirten sollten wir Verantwortungsbereitschaft zeigen.“ Ein zweiter Schwerpunkt war die Bedeutung regionaler Landbewirtschaftung und Lebensmittel-produktion: „Wir müssen den baden-württembergischen Landwir-tinnen und Landwirten in ihrem konkreten Tun und Handeln den nötigen Freiraum lassen, sonst bleibt der Wunsch nach Erzeug-nissen aus der Region ein reines Lippenbekenntnis.“

Im Anschluss analysierte Prof. Dr.-Ing. Frieder Haakh, Direktor und Technischer Geschäftsführer des Zweckverbands Landeswasserver-sorgung, die Auswirkungen der Landbewirtschaftung auf die Wasserqualität hierzulande. Der Vortrag machte deutlich, dass in Deutschland ein Nitratproblem herrsche: Deutschland sei wegen Nichtumsetzung der Nitratrichtlinie mit einer von der EU-Kommission gut begründeten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof konfrontiert. Obwohl im Durchschnitt in Baden-Württemberg laut Messung der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Natur-schutz Baden-Württemberg die Nitratbelastung rückläufig sei, zeige das Haupteinzugsgebiet der Landeswasserversorgung einen ansteigenden Trend. „Die Nitrateinträge aus der Landwirtschaft sind ursächlich für die Nitratverseuchung des Grundwassers. Wir haben somit kein Erkenntnisdefizit, sondern ein massives Umsetzungs-defizit“, betonte Haakh. Insbesondere an einer Verbesserung der Stickstoffnutzungseffizienz müsse mit Nachdruck gearbeitet werden. Eine Vorbildfunktion komme hier Öko-Betrieben zu, deren Stickstoffnutzungseffizienz deutlich über dem Durchschnitt liege und bis zu 90 Prozent erreichen könne.

Jan Plagge, Präsident von Bioland e.V. und Vorstandsmitglied im Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft e.V. (BÖLW), ging der Frage nach, wie eine Land- und Ernährungswirtschaft der Zukunft aussehen kann und soll. Um Landwirtinnen und Landwirte, Umwelt und Gesellschaft gleichermaßen im Blick zu haben, sei es notwendig, sich in den kommenden zwölf Monaten für eine grundlegend veränderte und damit umweltwirksamere und „grünere“ Agrarpolitik einzusetzen: „Gegenwärtig erreicht die GAP ihre zentralen Ziele nicht, sie ist nicht effektiv, nicht konsistent, setzt die falschen Anreize und erfüllt die Erwartungen der Bürgerinnen und Bürger Europas nicht.“ Laut Plagge ist die Honorierung von öffentlichen Leistungen, die der Markt nicht vergütet, ein wichtiger Schritt, um die Landwirtschaft stärker auf ökologische und gesellschaftliche Ziele auszurichten und zugleich das Einkommen der Bäuerinnen und Bauern auf mehrere verlässliche Säulen zu stellen.

Mögliche Wege zur Erhaltung und Förderung der Artenvielfalt zeigte Dr. Rainer Oppermann, Leiter des Instituts für Agrarökologie und Biodiversität Mannheim, auf. Der Referent wies darauf hin, dass trotz aller Bemühungen und guter Agrarumweltprogramme im Bezugsraum Baden-Württemberg die Artenvielfalt weiterhin rückläufig sei – und das, obwohl dem naturräumlich vielfältigen Südwesten als „Schicksalsland für das Grünland in Deutschland“ eine Schlüsselrolle zukomme. Zwar gebe es Erfolgsbeispiele im Ackerland und beim Grünland, doch reichten diese qualitativ und quantitativ nicht aus. Maßnahmen für mehr Biodiversität umzusetzen, sei nicht nur Aufgabe des Landes Baden-Württemberg, sondern liege in der Verantwortung von jedem und jeder, von Kommunen über Kirchen und Verbände bis hin zu Privatleuten. „Gemeinden sollten Versuchsflächen anlegen und unterhalten. Landwirte könnten durch lichte, weite Reihen auf ihren Getreideäckern und durch die Haltung seltener Tierrassen einen Beitrag leisten“, appellierte Oppermann an die Zuhörer.

Im Rahmen der anschließenden Podiumsdiskussion, an der auch Heike Hespe als Referatsleiterin Agrarpolitik für das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg teilnahm, war die Notwendigkeit eines Schulterschlusses zwischen allen, die an Landwirtschaft beteiligt sind, zentraler Konsens. Ein Miteinander statt eines Gegeneinanders sei angezeigt, wie auch in Wortbeiträgen der engagierten Tagungsbesucher immer wieder deutlich wurde: Eine Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger gegenüber Landbewirtschaftung, auch im eigenen direkten Umfeld, sei erforderlich. Über alle Interessengruppen und Blickwinkel hinweg sei es für den Sektor von entscheidender Bedeutung, in einem ständigen Dialog zu bleiben – gerade auch bei Themen mit Konfliktpotenzial. Dass die Bürger Europas an Entscheidungs-prozessen durchaus teilhaben und „mit ins Boot geholt werden“ möchten, habe nicht zuletzt die große Anzahl an Beiträgen im Rahmen der europäischen Online-Konsultation zur GAP jüngst vor Augen geführt, so das Fazit der Diskussionsrunde.